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Sicherheit: 1,3 Milliarden Aufpasser

Ganz China soll die Spiele schützen – auch wenn die Stimmung darunter leidet.

Seit Montagmorgen wird das Olympiagelände an der vierten Ringstraße noch intensiver bewacht. Zu den Boden-Luft-Raketen, die unter einem Tarnnetz neben dem Olympic Sports Center postiert sind, und den Hunderten Polizisten haben sich jetzt auch Wachsoldaten gesellt, die im Abstand von zehn Metern auf der Straße stehen. Sie kämpfen gegen Autoabgase, die von der achtspurigen vierten Ringstraße herüberwehen, gegen die eigene Müdigkeit und – gegen wen eigentlich?

Peking betreibt für die Olympischen Spiele, die am Freitag eröffnet werden, einen gewaltigen Sicherheitsaufwand. „Wir wissen, dass es Menschen gibt, die die Olympischen Spiele von Peking sabotieren wollen“, sagt Liu Shaowu, Sicherheitschef des Pekinger Olympia-Organisationskomitees Bocog. Wer das genau ist, was er über diese Gruppierungen weiß, will er nicht sagen. Im gesamten Land herrschen bereits seit Monaten drastisch erhöhte Sicherheitsvorschriften, trotzdem konnte der gestrige Anschlag in der Provinz Xinjiang nicht verhindern werden. Bei diesem sind laut der Nachrichtenagentur Xinhua 16 Polizisten getötet worden (siehe dazu Seite 2).

Drei Sicherheitsringe hat die Polizei bereits vor einigen Monaten um Peking gezogen. Bei der Einreise aus der Provinz Hebei oder der Stadt Tianjin kontrollieren Polizei- und Militärposten an 24 Checkpoints jedes Fahrzeug. Die Papiere der Insassen werden überprüft, wer sich nicht ausweisen kann, darf nicht weiterfahren. Mit flachen Spiegeln suchen Soldaten den Fahrzeugboden ab, Suchhunde helfen beim Aufspüren von Sprengstoff. Der mittlere Sicherheitsring liegt um sechs Vororte , der innere Ring betrifft den gesamten Stadtbereich, in dem sich 27 von 31 olympischen Sportstätten befinden.

Auch in den U-Bahnhöfen Pekings werden seit Anfang Juli Sicherheitskontrollen vorgenommen. Dabei sollen vor allem größere Taschen durchleuchtet werden. Allerdings stehen in zahlreichen Stationen nur zwei Geräte zur Verfügung, weshalb nur ausgewählte Personen kontrolliert werden. An jeder Brücke oder Unterführung sind Sicherheitskräfte postiert, Ausländer müssen seit Wochen ihre Ausweispapiere mitführen, da sie verstärkt kontrolliert werden. Auch in Bars und Restaurants.

Kritiker wenden ein, dass die chinesischen Behörden die Bedrohung übertreiben würden, um so die zahlreichen Maßnahmen gegen Dissidenten zu rechtfertigen. Andere fürchten, dass unter dem Sicherheitsdruck die Atmosphäre der Spiele leiden wird. „No-Fun-Games“ oder „Kill-Joy-Games“ werden diese Spiele bereits genannt. Der Bocog-Sicherheitsbeauftragte wiederspricht. „Wir wollen eine festive Atmosphäre bei den Spielen und wir wollen nicht den Alltag der Bevölkerung unterbrechen“, beteuert Liu Shaowu.

Doch der ungeheure personelle Aufwand für die Sicherheit bleibt nicht ohne Wirkung und prägt das Gesicht der Stadt. Während der Spiele kontrollieren 150 000 Sicherheitskräfte die Stadt und die Sportstätten. Hinzu kommen laut der Nachrichtenagentur Xinhua 290 000 Freiwillige, die verdächtige Personen und Gegenstände melden sollen. Geht es nach der Kommunistischen Partei Chinas, so bestehen Chinas Sicherheitskräfte sogar aus 1,3 Milliarden Menschen.

Das ganze Volk, vor allem aber Pekings Stadtbevölkerung ist aufgerufen, Polizei und Sicherheitskräfte zu unterstützen. Sie sollen verdächtige Vorkommnisse, Personen und Gegenstände melden. Zur Hilfe hat sie ein Buch herausgegeben, um die eigene Bevölkerung zu schulen. Darin heißt es: „Wenn der verdächtige Gegenstand nach verfaulten Eiern riecht, könnte es Schießpulver sein; wenn er nach Ammonium riecht, könnte es Ammonium-Nitrat-Sprengstoff sein.“ Auch für den Fall, gekidnappt zu werden, sind die Pekinger Bürger nun vorbereitet. „Starre dem Kidnapper nicht in die Augen, spreche nicht, handle langsam“, heißt es in dem Handbuch. Dann solle das Opfer versuchen, die Zahl der Terroristen zu zählen und den Anführer auszumachen. Und schließlich: „Bleibe auf dem Boden liegen, wenn die Polizei zuschlägt.“

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