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Geschmückte Straßen und Oranje-Flaggen: 2008 waren die Niederländer in EM-Stimmung. Dieses Jahr sind die Straßen und Kneipen leer.

© EPA/VOS

Sie fehlen bei der Fußball-EM 2016: "Ohne Holland fahr'n wir zur EM"

Frühere Europameister wie Dänemark, Griechenland und Niederlande sind nicht bei der EURO 2016 in Frankreich dabei. Wie gehen die Fans in diesen Ländern damit um?

Ganz Fußball-Europa schaut in diesen Tagen gebannt nach Frankreich zur EM. Ganz Europa? Nicht ganz. Immerhin hatten in der Qualifikation 51 Nationalmannschaften um die 23 freien EM-Plätze gekämpft, so dass 28 von ihnen diesen Sommer zu Hause bleiben mussten. Die Fans dieser Nationalteams müssen nun mit ansehen, wie andere um die europäische Fußballkrone wetteifern. Das mag einem Fan aus der Fußball-Diaspora wie Liechtenstein oder San Marino fast egal sein - diese Länder waren noch nie bei einem großen Turnier dabei. Aber wenn man als Schotte zuschauen muss, wie alle anderen Teams des britischen Inselreiches plus Irland mitkicken; wenn man als Serbe mit den Auftritten Kroatiens und Albaniens auf der europäischen Fußballbühne konfrontiert wird; und wenn einem als Oranje-Fan ständig der Schmähgesang „Ohne Holland fahr'n wir zur EM“ in den Ohren klingelt - dann kann das der Fan-Seele schon ganz schön zusetzen. Ein Blick über die Grenzen in einige der Fußballnationen, die bei der EURO 2016 nicht dabei sind:

Niederlande: Was bleibt, ist die Erinnerung

Was war das schön bei der WM 2014: Oranje-Fieber überall - orange geschmückte Straßen, Hausfassaden, Fenster,  Menschen. Doch im Frühsommer 2016: Nichts. Straßen und Kneipen in den Niederlanden sind öde und still. Für viele sind die Schmach und auch der beißende Spott gerade der deutschen Nachbarn kaum zu ertragen. Wer kann, verlässt das Land. Die Reiseveranstalter verzeichneten einen ungewöhnlichen Anstieg der Buchungen vor der eigentlichen Hochsaison.

Nur echte Fußball-Liebhaber schauen sich die Spiele der EM an - ohne Robben, van Persie, Sneijder. Dem Rest bleibt nur die Erinnerung. Kneipen organisieren „Oranje-Abende“ und zeigen alte Erfolge der Elftal. Der Hit ist die EM von 1988, als die Niederlande ausgerechnet in Deutschland Europameister wurden - „briljant“. In Arnheim an der deutschen Grenze adoptierten Kneipen Fußballnationen, die in Frankreich mitmachen. Dort kann man dann etwa ungeniert Deutschland-Fan sein. Die meisten Fans aber halten nun zu Belgien, ohnehin eine Art „Reserve-Niederländer“. Aber nach dem 0:2 im Auftaktmatch gegen Italien schwant vielen Niederländern Böses, so nach dem Motto: Ein klassischer Fall „vom Regen in die Traufe“...

Die Holländer verloren in der EM-Qualifikation unter anderem zweimal gegen Island.
Die Holländer verloren in der EM-Qualifikation unter anderem zweimal gegen Island.

© dpa

Schottland: Bitte nicht England als Champion

Nicht dabei zu sein bei dieser vergrößerten Fußball-Europameisterschaft, das ist für die Schotten schon schmerzhaft genug. Doch noch schlimmer ist, dass Schottland der einzige britische Landesteil ist, der in Frankreich nicht mitspielen darf. Selbst die Rugby-Nation Wales mischt mit und misst sich in der Vorrundengruppe B mit dem großen Nachbarn England. Ein Duell, das sich viele Schotten sehnlichst für ihre Elf gewünscht hätten. „Ich kann das nur schwer verdauen“, sagte der bekannte schottische Fußballkommentator Archie Macpherson dem britischen Rundfunk BBC. „Ich bin wie ein Kind, das sein Gesicht gegen die Scheibe eines Restaurants drückt, in dem ein Festessen stattfindet. Ich spüre einen furchtbaren Hunger.“ Schotten feuern traditionell jeden Gegner der Engländer bei internationalen Turnieren an. Vor der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gaben in einer Umfrage nur 69 Prozent der Schotten an, bei einem möglichen Endspiel zwischen England und dem Gastgeber die britischen Nachbarn unterstützen zu wollen. Dieses Mal dürfte es kaum anders aussehen. Örtlichen Zeitungsberichten zufolge kauften schottische Fans vor der EM Trikots vor allem von Deutschland, Frankreich und Schweden. Craig Brown, Schottlands Trainer bei der EM 1996 und der WM 1998, sagte der BBC: „England nicht alles Gute zu wünschen, ist ungehobelt. Ich würde es aber mit Sicherheit bevorzugen, wenn Wales, Nordirland oder Irland das Turnier gewänne.“

Serbien: „Schweini“ als Schwiegersohn

Zu den Nachbarn Kroatien und Albanien pflegt Serbien beileibe keine sehr freundschaftlichen Beziehungen, und das schon seit Jahrhunderten. Umso schmerzhafter fühlt sich für leidenschaftliche serbische Fußballfans die Zuschauerrolle an. Mancher sieht sie gar als Demütigung der nationalen Gefühle. Folgerichtig haben die heimischen Medien ihre EM-Berichterstattung auf ein Minimum reduziert: Keine dicken Beilagen, keine großformatigen Aufmacherbilder, keine stundenlangen Analysen der taktischen Tricks und Kniffe. Knappe Ergebnisberichte, mehr nicht. Die Sportseiten werden beherrscht von Tennis und der serbischen Fußball-Liga, der Superliga, auch wenn diese schon längst ihre Saison beendet hat. Da kam das Tor von Bastian Schweinsteiger zum 2:0-Auftaktsieg der deutschen Nationalelf über die Ukraine gerade recht, um den serbischen Fußballfan doch noch am Kiosk abzuholen: Da die serbischen Medien schon länger über eine mögliche Hochzeit von „Svajni“ (Schweini) mit der serbischen Tennisspielerin Ana Ivanovic spekulieren, wird er als „echter serbischer Schwiegersohn“ gefeiert.

Griechische Fans nach dem überraschenden Gewinn des EM-Titels 2004.
Griechische Fans nach dem überraschenden Gewinn des EM-Titels 2004.

© dpa/Panagiotou

Griechenland: Stressfrei im Café

Nicht dabei? Das haben die griechischen Fußballfans längst verschmerzt. Sie genießen es, stressfrei im Café die aktuelle europäische Elite kicken zu sehen. Eine Teilnahme wäre ja auch viel zu aufregend, man denke nur an 2004, als die Griechen unter Trainer Otto Rehhagel Europameister wurden und das ganze Land Kopf stand! Dieser einzigartige Überraschungserfolg, das Erbe von „Rehakles“, ist in der kollektiven griechischen Fußballseele noch immer höchst präsent. Entsprechend kenntnisreich wird die aktuelle EM verfolgt. Die Italiener genießen in Griechenland von jeher große Unterstützung - möglicherweise wegen ihrer Defensivstärke, die ja auch die griechische Europameisterelf auszeichnete. Ebenso die Portugiesen, nicht zuletzt deshalb, weil man 2004 in ihrer Heimat zweimal so schamlos gegen sie gewonnen hat. Beim Fußballgott hat dieses Team noch eine EM gut, finden viele Griechen. Aber auch die Deutschen, zu denen die griechischen Fans eine Art Hassliebe pflegen, werden gerne gesehen. Und dann natürlich die Türkei, die viele in der Hoffnung verfolgen, sie möge es nicht besonders weit schaffen. Eigentlich also alles wie beim Eurovision Song Contest - nur in Fußball.

Dänemark: Stimmung auch ohne „Danish Dynamite“

Die Dänen waren ja schon bei der Weltmeisterschaft 2014 nicht dabei, sie haben also Übung im bloßen Zugucken. So hängt in dem fußballbegeisterten Land in diesen Wochen fast jeder vor dem Fernseher und verfolgt die Spiele in Frankreich - auch ohne „Danish Dynamite“ auf dem Rasen. Sogar das große Public Viewing am Hafenbecken in der Hauptstadt Kopenhagen besuchen die Dänen ebenso treu wie tapfer. Euphorische EM-Stimmung kommt aber vor allem in den internationalen Kneipen auf. Längst nicht nur Deutsche, sondern auch viele dänische Deutschland-Fans rotten sich in der Kopenhagener „Berlin Bar“ zusammen, wo der Wirt bei jedem deutschen Tor eine Runde Schnaps ausgibt. (Beim 7:1 der Nationalelf gegen Brasilien im WM-Halbfinale 2014 könnte er seine Großzügigkeit zwischenzeitlich bereut haben.) Während der Jubel für Schwarz-Rot-Gold noch in Ordnung geht, ist das Daumendrücken für den skandinavischen Nachbarn bei den meisten dänischen Fans tabu. Immerhin haben die Schweden in der Qualifikation die EM-Träume der Dänen brutal zerstört - mit einem 1:2 und 2:2 hieß es in der Relegation „Farvel, Danmark“.

Die Dänen verfolgen mäßig begeistert die EM beim Public Viewing in Kopenhagen.
Die Dänen verfolgen mäßig begeistert die EM beim Public Viewing in Kopenhagen.

© dpa/Wäschenbach

Bulgarien: Deutschland schon mal besiegt

Bulgariens Fußball steckt in der Krise. Seit 2004 war das Balkanland bei keinem großem Fußballturnier mehr dabei. Dennoch diskutiert derzeit kaum ein Fan darüber, warum das Nationalteam der fußballbegeisterten Bulgaren zum Außenseiter geworden ist. Stattdessen erinnert das Staatsfernsehen gern an die Glanzzeit der „Nazionalite“ mit dem Höhepunkt 1994: Damals belegte Bulgarien bei der Weltmeisterschaft in den USA den vierten Platz. Deutsche Fußballfans werden sich nur ungern daran erinnern, denn im Viertelfinale in New York warfen die Bulgaren das deutsche Team mit 2:1 aus dem Turnier. Ein besonderer Triumph für das Balkanland, denn die deutsche Elf genießt traditionell ein hohes Ansehen - sowohl bei Kommentatoren als auch Fußballfans; und so genießt man es durchaus, den großen Fußballnationen beim Kicken zuzusehen. Deshalb bietet die Hauptstadt Sofia auch zu dieser Fußball-EM einen Treffpunkt zum Public Viewing. Eröffnet wurde die Anlage neben dem großen Nationalstadion in der Innenstadt vom 1994er WM-Star Krassimir Balakow, der auch für den VfB Stuttgart in der Bundesliga gespielt hat. (dpa)

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