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Sport: Sie liebt sie doch alle

Bayern München muss etwas Besonderes sein: Biggy Schiller schläft für den Verein auf Bahnhöfen und in Luxushotels

Marbella. Biggy Schiller sitzt im Paradies. Fünf Fußballplätze liegen darin, Palmen wachsen an der Seitenlinie, und zwischen den Feldern haben die Spanier eine Umkleidekabine mit Fitnessraum errichtet, die mit lachsfarbenem Marmor ausgelegt und mit Holzornamenten verziert ist und deshalb eigentlich nicht wie eine Umkleide aussieht, sondern wie ein mediterraner Königspalast in Miniaturausgabe. Die Nachmittagssonne scheint, es sind 19 Grad im „Marbella Paraiso de futbol“, dem aktuellen Übungsgelände von Bayern München während des einwöchigen Trainingslagers im Süden Spaniens. Biggy Schiller, 46, steht an der Seitenlinie und verfolgt das Trainingsspiel. Sie tut das sehr oft, denn Biggy, so wird sie hier von allen genannt, ist fast immer dabei, wenn die Bayern unterwegs sind, seit mehreren Jahrzehnten. „Die Bayern sind mein Leben“, sagt das Mitglied von vier Bayern-Fanklubs. Und so ein Leben ist nicht immer leicht, denn Schiller hat auch das Kontrastprogramm zu Marbella kennen gelernt. Ganz freiwillig.

Bevor sie 1989 begann, Seit an Seit mit den Bayern zu reisen, organisierte sie sich ihre Fahrten selbst. Einmal hat sie im Hauptbahnhof von Kiew die Nacht verbracht, eine Decke hatte sie nicht, „also habe ich mich mit meiner Bayern-Fahne zugedeckt“. Im La Quinta Golf Resort, der Fünf-Sterne-Herberge, in der sie jetzt übernachtet, braucht sie das nicht. Es gibt Heizungen und Klimaanlagen hier, zum Essen werden Scampi, Herzmuscheln und Kabeljaukroketten serviert. Doch während des Abendessens hat sie Besseres zu tun als Nahrungsaufnahme. „Autogramme sammeln“, das sei wichtiger.

Die Erzieherin ist es gewohnt, eine Menge zu entbehren. Das Reisen ist teuer, eine Nacht im Spielerhotel kostet 234 Euro. Vor einigen Jahren gab sie in nur einer Saison 8500 Mark aus. Seitdem hat sie nicht mehr nachgezählt. Sie spart bei Kleidung, „und ich gehe auch nicht oft aus“. Mehr Geld verschlingt die Ausrüstung, drei Trikots hat sie sich diese Saison geleistet, doch am liebsten trägt sie eine ihrer drei ärmellosen Westen, zum Beispiel die aus roter Seide, die sie mit bunten Bayern-Aufnähern verziert hat und mit Vereinsnadeln aus Silber und Blattgold.

Die Bayern-Profis machen sich weniger Gedanken über ihre Kleidung hier im Trainingslager, dafür gibt es Angestellte. Wenn die Spieler nach dem Training in ihren Einzelzimmern verschwinden, öffnet sich noch einmal kurz die Tür, und ein Knäuel blau-roter Trainingskluft plumpst auf die Fußmatte. Wenig später kommt Charly Ehmann vorbei, er schiebt einen großen, rollbaren Wäschekasten und klaubt die Klamotten auf, denn Ehmann ist zuständig für saubere Wäsche.

Auch Giovane Elber wird dieser Service zuteil, Biggy gönnt es ihm, er ist ihr derzeitiger Favorit. „Noch ein kleines Stückchen lieber als die anderen habe ich ihn“, flüstert sie, aber eigentlich mag sie nicht, dass man das schreibt, „denn ich will keinem Unrecht tun“. Nachher ist noch jemand beleidigt, Oliver Kahn zum Beispiel. Aber Lieblingsspieler hatte sie nun einmal immer, erst Franz Beckenbauer, dann Kurt Niedermayer, Jean-Marie Pfaff und Bruno Labbadia. „Ganz fertig“ war sie, als Labbadia seinerzeit ganz plötzlich die Bayern verließ, zumal ein Gefühl ihr den drohenden Abschied angekündigt hatte. „Manchmal habe ich so einen Draht. Manchmal weiß ich schon am Morgen, wie ein Spiel ausgeht. Wenn mir das Essen vor einem Spiel nicht schmeckt, weiß ich genau, was los ist.“

Nun, man kennt seinen Partner eben, nach so langer Zeit. Und Biggy ist mit dem FC Bayern zusammen, irgendwie. „Vor einem Spiel habe ich Schmetterlinge im Bauch, unbeschreiblich. Bayern, das ist noch schöner als Verlieben.“ Das haben auch Biggys Partner mitbekommen. „Die haben das alles nicht lange ausgehalten.“ Oder: Sie bekamen erst gar keine Chance. „Ein 1860-Fan wollte mich auf der Stelle heiraten“, berichtet sie, „doch der sah gar nicht gut aus. Das wäre auch nichts geworden, wenn er Bayern-Fan gewesen wäre.“

Daniel Pontzen

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