zum Hauptinhalt
Historischer Jubel. Tatjana Hüfner feiert den 100. Weltcupsieg einer deutschen Rodlerin in Folge. Foto: dpa

© dpa

Sport: Sie siegen und siegen und siegen

Die Rodlerin Tatjana Hüfner sorgt für den 100. Weltcup-Sieg der deutschen Frauen in Folge

Die Rodlerin Tatjana Hüfner hat am Sonntag mal wieder Weltcuprennen gewonnen, diesmal in Winterberg. Das ist für sich genommen keine besondere Nachricht. Etwas mehr als sechs Zehntelsekunden lag die Olympiasiegerin von Vancouver nach zwei Läufen auf der Kunsteisbahn vor ihrer Teamkollegin Natalie Geisenberger. Das ist zwar viel in einer Sportart, in der sonst Tausendstelsekunden entscheiden, aber auch noch nicht sensationell. Das Besondere an diesem Erfolg ist ein anderer Punkt: Hüfner gelang der 100. Sieg einer deutschen Rodlerin ohne Unterbrechung. Und das hat es tatsächlich noch nie gegeben.

Sieben Rennfahrerinnen haben im Laufe der Jahre zu diesem Rekord beigetragen. Silke Kraushaar-Pielach steuerte 33 Erfolge bei, Sylke Otto 29 und Hüfner 23. Die weiteren Siegerinnen heißen: Natalie Geisenberger (6), Barbara Niedernhuber (5), Sonja Wiedemann (3) und Anke Wischnewski (1).

„Die Frauen siegen den Sport noch kaputt“, hat Georg Hackl, der dreimalige Rodel-Olympiasieger, einst gelästert. Hüfner sagte daraufhin: „Das Rodeln der Frauen ist lebendiger denn je.“ Sie mache sich keine großen Gedanken, ob diese Situation ihre Sportart zu langweilig mache. „Ich versuche so gut und erfolgreich wie möglich zu fahren“, erklärt die 27-Jährige. Wie lange die Siegesserie noch hält, ist ihr egal.

Die Serie hält nun schon seit dem 29. November 1997. Damals gewann die Österreicherin Andrea Tagwerker, ausgerechnet in Deutschland am Königssee. „Für mich ist es schön, wenn ich immer höre, dass ich die letzte Siegerin bin, die nicht aus Deutschland kommt“, sagt sie, „so bleibe ich in Erinnerung.“ Ansonsten rodelt die 39-Jährige nur noch mit ihren beiden Söhnen. Dass die deutschen Rodlerinnen nicht ganz unverwundbar sind, hat sich bei der Weltmeisterschaft 2009 gezeigt. Den Titel gewann die US-Amerikanerin Erin Hamlin auf ihrer Hausbahn in Lake Placid. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die einen, ein vernachlässigbarer Betriebsunfall für die Deutschen.

Vor diesem Winter machte sich Nina Reithmayer Hoffnungen, die deutsche Serie zu beenden. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver hat die 26-jährige Österreicherin Silber geholt. „Wenn du bei Olympia Zweite wirst, muss nun der Anspruch sein, bei jedem Weltcup auf dem Stockerl zu stehen“, sagt sie. Dabei bezieht sie die oberste Stufe des Podiums ausdrücklich mit ein. Zuvor war sie im Weltcup dreimal beste Nicht-Deutsche. Dass Wunsch und Wirklichkeit nicht immer zusammenpassen, musste sie am vergangenen Wochenende nach einem Sturz und Platz 23 in Igls erfahren.

Die Gründe für die Dominanz der deutschen Frauen sind vielschichtig. Als einziges Land der Welt besitzt Deutschland in Altenberg, Königssee, Oberhof und Winterberg vier Kunsteisbahnen. Dadurch verfügt der Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) schon beim Nachwuchs über eine breite Basis. Und der Konkurrenzkampf unter den vier Stützpunkten steigert das Niveau aller Rodlerinnen.

Wer sich permanent gegen die Weltbesten beweisen muss, der ist gezwungen, immer an seiner Leistungsgrenze zu arbeiten. „Dass wir Deutschen so kompakt und so stark sind, liegt daran, dass wir uns ständig pushen und ständig aneinander orientieren“, bestätigt Silke Kraushaar-Pielach, Rekordhalterin mit fünf Erfolgen im Gesamt-Weltcup.

Hinzu kommt eine Vielzahl an Trainern, die zudem noch hervorragend ausgebildet sind. Und es gibt noch die ausgeklügelte Technik. Die Rennschlitten werden von Ingenieuren perfektioniert, und Trainer wie Georg Hackl steuern dann ihre Erfahrungen aus eigener Tüftelei bei. Dieses Know-how haben andere Nationen nicht zu bieten.

„Vom Material und vom Trainerstab sind die Deutschen sehr bevorzugt“, sagt die Österreicherin Tagwerker. Nicht einmal die Rücktritte der zweimaligen Olympiasiegerin Sylke Otto und Silke Kraushaar-Pielach konnten das deutsche Team im Winter nach den Olympischen Spielen 2006 einbremsen. „Dahinter sind sofort wieder starke Frauen nachgedrängt“, sagt Andrea Tagwerker. Tatjana Hüfner ist momentan die Stärkste der Starken. Deshalb war es beinahe selbstverständlich, dass sie den Rekordsieg erreichte.

Klaus-Eckard Jost[Winterberg]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false