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Sport: Sie wanken, aber sie fallen nicht

Erst ein Bundesligatrainer wurde in dieser Saison entlassen – andere behalten trotz Kritik ihren Job

Bert van Marwijk, Thomas Doll, Marcel Koller, Mirko Slomka, seit diesem Wochenende Michael Skibbe, dem Tabellenplatz nach auch Jürgen Klopp: So heißen derzeit die Kandidaten. Nach zehn Spieltagen in der Fußball-Bundesliga ist es eigentlich wieder soweit, in dieser Saisonphase werden traditionell Trainer entlassen. Gleich acht Trainer verloren in der Hinrunde 2004/2005 ihren Job. Doch in diesem Jahr ist es anders. Zu eng ist die kuriose Bundesligatabelle, ein zufriedenstellender Tabellenplatz und Katastrophenstimmung liegen nur zwei erfolgreiche Spiele voneinander entfernt. Bisher musste nur Peter Neururer in Hannover gehen, für ihn kam Dieter Hecking aus Aachen. Alle anderen haben ihren Job noch. Trotz der teilweise massiven Kritik.

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Es war ein skurriles Szenario bei der Pressekonferenz nach dem Spiel zwischen Borussia Dortmund und Arminia Bielefeld: Links hatte Bert van Marwijk Platz genommen, von dem trotz aller Treueschwüre niemand so genau weiß, wie lange er noch Trainer bei der Borussia ist. Auf der rechten Seite saß Thomas von Heesen, von dem niemand so genau weiß, wie lange er Trainer in Bielefeld bleiben wird, weil er – wie in Westfalen hartnäckig gemunkelt wird – weggelobt werden soll, um van Marwijk zu ersetzen. Nachdem das Frage-Antwort-Zeremoniell beendet war, wurde von Heesen noch nach der auch für ihn gewöhnungsbedürftigen Konstellation befragt. Von Heesen war sichtlich bemüht, einen kollegialen Eindruck zu vermitteln. Bert van Marwijk sei „ein toller Trainer“, beteuerte von Heesen, „ich habe die Gerüchte nicht in die Welt gesetzt“.

Das Problem sei, „dass man den Gerüchten glaubt, ohne mit den Beteiligten in Kontakt zu treten“. Allerdings sind Spekulationen selbst in der aufgeregten Medienbranche Bundesliga selten völlig aus der Luft gegriffen. So ist einerseits nicht von der Hand zu weisen, dass van Marwijks Position in Dortmund nicht sonderlich stark ist. Andererseits ist gesichert, dass von Heesen bei der Arminia nicht uneingeschränkt glücklich ist, obwohl er seine Mannschaft in Tabellenregionen geführt hat, die so gar nicht zum mausgrauen Image des Klubs passen wollen. Doch in dieser Gerüchtediskussion geht es nicht um einen sofortigen Wechsel. Wenn überhaupt, dann würde von Heesen seinen Kollegen wohl erst in der nächsten Saison ersetzen.

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„ Thomas Doll schmeißt nicht hin“, sagt HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann. Ebenso wenig denkt die Führung des Hamburger SV zurzeit selbst daran, ihren Cheftrainer zu entlassen, trotz der bisher schwachen sportlichen Bilanz dieser Saison. „Das wäre reiner Aktionismus“, sagt Hoffmann. Er und Sportchef Dietmar Beiersdorfer wissen, was sie an Doll haben. Denn ihr Trainer trägt zumindest nach außen hin klaglos das Geschäftsmodell des Vorstands mit, das darin besteht, jüngere Spieler mit Entwicklungspotenzial günstig zu verpflichten, sie bei entsprechenden Angeboten aber auch mit Gewinn wieder zu verkaufen. Das dadurch bedingte ständige Kommen und Gehen neuer Spieler hat außerdem dazu geführt, dass Doll auch als Identifikationsfigur des Vereins schwer zu ersetzen wäre. Die Fans feierten ihn nach der gestrigen Niederlage mit „Außer Thomas könnt ihr alle gehen“-Sprechchören, während sie ihren Unmut über Hoffmann und Beiersdorfer mit „Vorstand raus!“-Rufen bekundeten.

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Solchen Zuspruch bei den Anhängern haben Marcel Koller beim VfL Bochum und Michael Skibbe bei Bayer Leverkusen nicht. „Koller raus“ musste sich der Schweizer bereits des öfteren anhören. Aber ein einziger Sieg in Hannover hat die Lage schon wieder deutlich entspannt. Bochum ist nicht mehr Tabellenletzter, und mit einem Sieg am Mittwoch wäre schon wieder der Anschluss ans Mittelfeld geschafft. Der Gegner heißt Bayer Leverkusen. Auch dort forderten die Fans am Wochenende vehement die Entlassung des Trainers. Aber wie in Bochum betonen die Verantwortlichen, die Leistung des Trainers unabhängig von der derzeitigen Platzierung der Mannschaft zu bewerten. „Das hat Michael nicht verdient“, sagt Sportdirektor Rudi Völler. „Er macht gute Arbeit.“

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Die wird auch Mirko Slomka von den Verantwortlichen in Gelsenkirchen bescheinigt. Doch Schalke ist aus DFB-Pokal und Uefa-Cup bereits ausgeschieden. Und das Unentschieden gegen den FC Bayern war eher ein Negativ- als ein Positiverlebnis, weil Schalke die große Chance zum Sieg vergab. Für Slomka scheint am ehesten das „Branchengesetz“ zu gelten, wonach der Trainer das schwächste Glied in der Kette ist.

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Völlig abgekoppelt von den aktuellen Ergebnissen scheint dagegen die Arbeitsplatzsituation von Jürgen Klopp beim FSV Mainz zu sein. Trotz neun Spielen ohne Sieg würde Manager Christian Heidel „ Luftsprünge machen, wenn er heute seinen Vertrag verlängern wollte“. Warum? „Weil er der denkbar beste Trainer ist.“

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