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Sport: Sieben Mann für eine Nationalelf

Sars ist schuld: Chinas Trainer Arie Haan fehlen die Spieler

Hexiang/Rotterdam. 23 Spieler hatte Arie Haan eingeladen. Gekommen sind nur sieben. Haan, geboren in der Provinz Groningen und jetzt Fußballnationaltrainer von China, reagiert auf solche Missstände eher gleichmütig. „Zwei Spieler sind verletzt, einer ist gesperrt. Wo der Rest ist? Ich weiß es nicht", sagte der frühere Ajax-Fußballer und Trainer in Deutschland (1. FC Nürnberg, VfB Stuttgart) dem „Algemeen Dagblad“ in Rotterdam. „Mir erzählt man nichts.“ Den wahren Grund für das augenblickliche Desinteresse der chinesischen Top-Kicker an ihrer Nationalmannschaft kann sich Haan natürlich denken: Sars macht halt auch vor dem Fußball nicht Halt.

Im Trainingslager der Chinesen in Hexiang ist die Arbeit für Arie Haan derzeit sehr überschaubar. Der Nationaltrainer sagt, wobei ein bisschen Sarkasmus mitklingt: „Mit sieben Spielern muss man sehr kreativ sein, um richtig zu trainieren.“ Spielwillig sind sie ja durchaus, die chinesischen Fußballer. Aber die sich epidemieartig ausbreitende Lungenkrankheit führt dazu, dass sie zurzeit einfach keinen Gegner finden. „Jeder hat Angst vor uns“, sagt Haan und meint damit keineswegs, dass die Chinesen nun mit ihrer fußballerischen Kunst die Kontrahenten bis zur Verweigerung der Gegnerschaft einschüchtern. Um das klarzustellen, fügt Haan in einem Anflug von Ironie hinzu: „Wenn wir nicht spielen, verlieren wir auch nicht.“

Arie Haan war selbst, wie er sagt, mehrere Male in Guangdong, dem Sars-Zentrum. Auf den Mundschutz hat er verzichtet, war aber sehr vorsichtig. „Zuletzt habe ich einem japanischen Journalisten ein Interview gegeben, der vorher in Hongkong gewesen war. Ich habe mir zweimal die Hände gewaschen.“

Das vor einem Jahr eröffnete Trainingscamp der chinesischen Fußballer liegt rund fünf Stunden Autofahrt von Peking entfernt. Am Xianghe, was übersetzt so viel heißt wie „riechender Fluss“, liegt eine unsortierte Sammlung flacher früherer sowjetischer Bauten, der Fußballkomplex ist dagegen vom Feinsten: drei Spielfelder (davon ein Kunstrasen). Arie Haan sagt: „Das ist eines der weltweit acht Kunstrasenfelder, die von der Fifa für den internationalen Spielbetrieb zugelassen worden sind.“

Kaffeetrinken ist zurzeit die Hauptbeschäftigung des chinesischen Bondscoaches aus den Niederlanden. Aber zwischen zwei Kaffeekannen geht Haan dann auch ins Freie. Dann kommandiert er, gestikuliert und scheucht seine paar Spieler über den Platz, als würde in ein paar Tagen die nächste Fußball-WM beginnen. Haans Übersetzer, ein gewisser Alex, kommt oft gar nicht mehr nach, alle Anweisungen des holländischen Nationaltrainers ins Chinesische zu übersetzen.

In den zurückliegenden drei Monaten hat Arie Haan rund 75 000 Flugkilometer zurückgelegt. „Bevor es mir richtig klar wird, bin ich oft schon wieder weg. Ich bin nirgendwo zu Hause“, sagte Haan gegenüber der niederländischen Tageszeitung. Sein chinesisches Vokabular beschränkt sich nach einem Vierteljahr auf „ni hao“. Das heißt: „Hallo!“ und reicht natürlich nicht aus, um den Spielern komplexe taktische Vorgehensweisen zu verklickern. In Kürze sollte ein Länderspiel gegen Nigeria stattfinden. Es wurde abgesagt.

Arie Haan hat mal ein Buch geschrieben, das 1990 erschienen ist. Es trägt den Titel „Genug gelacht“. Sollte Haan bei seinem Job in China auch bald das Lachen vergehen?

Egon Boesten

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