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Sport: Sieg der Harmonie

Die deutschen Eisschnellläuferinnen gewinnen die Olympia-Premiere des Team-Wettbewerbs

Als Einzelkämpferinnen sind es Eisschnellläuferinnen nicht gewohnt, sich in der Gruppe zu freuen. So wirkten die kollektiven Freudenbekundungen von Anni Friesinger und Claudia Pechstein zunächst etwas ungelenk. Ein etwas verschämter Händedruck, ein Klaps auf die Schulter – dann aber tauten sie doch auf: Friesinger und Pechstein fielen sich in die Arme und reckten – titelseitengerecht – die Daumen hoch. Die kleine, feine Abneigung gegeneinander, die die beiden seit Jahren zelebrieren, durfte für einen Moment ruhen. Es gab auch Grund zur Freude. Das Frauen-Team aus Deutschland, dem neben den beiden Diven auch Daniela Anschütz-Thoms angehörte, gewann im olympischen „Oval Lingotto“ von Turin die Goldmedaille. Im Finallauf der Winterspiele war das deutsche Eisschnelllauf-Trio in einer Zeit von 3:01,25 Minuten um 1,66 Sekunden schneller als die Kanadierinnen mit Kristina Groves Clara Hughes und Christine Nesbitt. Bronze ging an Russland.

Bei der Siegerehrung weinte Friesinger. „Ich bin halt sehr emotional und nah am Wasser gebaut“, sagte die 29-jährige Inzellerin, die 2002 in Salt Lake City Gold über 1500 Meter geholt hatte. Pechsteins Augen blieben trocken, es ist schließlich auch schon ihr fünftes olympisches Gold. Damit ist sie in der Rangliste der besten Winter-Olympioniken überhaupt auf Rang vier vorgerückt. Der Teamwettbewerb über sechs Runden, der in Turin seine olympische Premiere feierte, ist wie geschaffen für die deutschen Frauen. Denn er dient ihnen seit seiner Erfindung als Gold- sowie Rekordquelle. Im Jahr 2005 gewann ein deutsches Trio bei seiner Weltmeisterschafts-Uraufführung auf Friesingers Freiluft-Hausbahn von Inzell Gold. Im vergangenen November stellten Friesinger, Pechstein und Anschütz-Thoms auf dem Eis von Calgary in 2:56, 04 Minuten einen Weltrekord auf. Eine mitreißende Leistung boten die drei deutschen Athletinnen nun im olympischen Teamwettbewerb – sie liefen sich den Frust vom 3000-Meter-Rennen von der Seele, in dem Friesinger Vierte, Pechstein Fünfte und Anschütz-Thoms Sechste geworden war. Schon im Viertelfinale am Mittwoch in Turin hatten sie brilliert und die Holländerinnen geschlagen.

Das gab den Deutschen offensichtlich Schwung. Im gestrigen Halbfinale setzten sich Pechstein, Friesinger und Anschütz-Thoms – wunderschön laufend, perfekt die Führung wechselnd – gegen die Russinnen durch. Im Finale reichte es dann zum Sieg gegen die Kanadierinnen, bei denen die Beste, Cindy Klassen, überraschenderweise nicht mitlief.

Ein gutes Ende für die Deutschen? Vielleicht war das Ganze wohl doch ein bisschen zu harmonisch für die Eisschnellläuferinnen. Keine Stunde war nach dem Team-Sieg vergangenen, da klagte Anschütz-Thoms darüber, dass sie als einzige der drei hatte vier Läufe bestreiten müssen – Pechstein und Friesinger waren im Zeitlauf geschont worden. „Das wird nicht richtig gewürdigt“, sagte die 31-Jährige. Wen sie wohl meinte? Während Pechstein, die Berlinerin, ihre Erfurter Kollegin ausdrücklich gelobt hatte („es war traumhaft, wie die Schützi das gemacht hat“), hörten sich Friesingers Worte ganz anders an: „Ich habe das Tempo diktiert“, sagte die Bayerin. „Ich bin in guter Form und ich habe die Ausdauer. Wenn die Schützi im vierten Lauf nicht mehr kann, dann übernehme ich das auch noch.“ Eisschnellläuferinnen sind eben doch Einzelkämpferinnen.

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