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Sport: Sieg der Leidenschaft

Mit viel Engagement schlägt Bayern München den Meister des Minimalismus, Juventus Turin, mit 2:1

Das Prädikat ist beinahe beleidigend, aber Juventus Turin hat es sich in jahrzehntelanger Zermürbung der Gegnerschaft redlich verdient: „Calcio cinico“, zynischer Fußball, wird die Art und Weise genannt, mit der sich Italiens Meister den Weg von Erfolg zu Erfolg betoniert. Doch Minimalismus sollte keineswegs das dominante Motiv des gestrigen Abends in der Münchner Allianz-Arena werden. „Wir werden nicht wie im letzten Jahr zweimal 0:1 verlieren“, hatte Bayern Münchens Trainer Felix Magath angekündigt. Er behielt Recht: 2:1 (2:0) gewann Bayern München gestern das Vorrundenspiel der Champions League gegen Juventus Turin. Mit drei Siegen liegt der Deutsche Meister nun allein an der Spitze der Gruppe A.

Das Spiel gegen den italienischen Rekordmeister war in München sehnsüchtig als Indikator für die internationale Reife der eigenen Mannschaft erwartet worden. Gegen Juventus wollte Bayern den ersten Sieg gegen ein italienisches Team seit 15 Jahren feiern. Und von Beginn an erbrachte der deutsche Rekordmeister mit engagiertem Offensivspiel den Beweis, dass man ihn zu Recht zur europäischen Spitze zählen darf. Nach nur drei Minuten hatten Roque Santa Cruz mit einem Kopfball übers Tor und Roy Makaay, der aus kurzer Distanz knapp verzog, bereits zwei gute Möglichkeiten. In der zehnten Minute konnte Christian Abbiati einen Freistoß von Michael Ballack nur abklatschen, kurz darauf passierte dem der Turiner Torhüter bei einem Freistoß von Makaay das gleiche Missgeschick. Martin Demichelis brachte den Ball aus drei Metern Entfernung aber nicht im Tor unter.

Wie jene gefürchtete Spielweise der Turiner aussieht, bekamen die 66 000 Zuschauer in der ausverkauften Arena in der 21. Minute vorgeführt: Nachdem sich Juventus bis dahin sich darauf beschränkt hatte, die Aktionen des Gegners zu zerstören, hätte Pavel Nedved mit einem Linksschuss beinahe die Führung erzielt. Doch die Bayern ließen sich nicht von ihrem engagierten Spiel abbringen, und der Favorit bekam es nicht in den Griff. Turins Abwehr um den schusseligen Lilian Thuram wirkte befremdlich unkonzentriert und ließ in der ersten halben Stunde mehr Chancen zu als in der bisherigen Champions-League-Saison. Vor allem der Ausfall des Defensivspezialisten Patrick Vieira machte sich bemerkbar.

Um Juves Zynismus zu überwinden, benötigten die leidenschaftlichen Münchner aber die Starthilfe eines griechischen Schiedsrichters und eines Mailänder Torhüters. In der 32. Minute prallte ein eigentlich schon verlorener Ball vom Fuß des Unparteiischen Kyros Vassaras zurück zu Willy Sagnol, der den Ball auf Sebastian Deisler flankte. Der Nationalspieler zog eine scharfe Hereingabe in Richtung Tor, die Abbiati unglücklich ins Netz prallen ließ. Der Torwart ist eine Leihgabe des AC Mailand, weil Stammtorhüter Gianluigi Buffon verletzt ist. Am zweiten Tor war Abbiati aber schuldlos. Der starke Deisler fand bei seinem Eckball fünf Minuten vor der Halbzeitpause den ungedeckten Demichelis, der zum 2:0 einköpfte.

In der zweiten Halbzeit musste Juventus’ Trainer Fabio Capello notgedrungen eine Abkehr von seiner Philosophie vollziehen und brachte in Alessandro del Piero einen dritten Stürmer. Trotzdem blieb Turin harmlos und kam in der 90. Minute durch Zlatan Ibrahimovic eher glücklich zum einzigen Tor. Auch am Dienstag blieb Juventus minimalistisch. Allein der Zynismus fehlte.

Daniel Pontzen[München]

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