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Erfolgsduo. Real Madrids Trainer Zinedine Zidane ist der Schlüssel hinter der Weiterentwicklung des ewigen Cristiano Ronaldo.

© Ben Stansall/AFP

Sieg in der Champions League: Cristiano Ronaldo ist ein sich stetig veränderndes Kunstwerk

Als erstem Klub überhaupt gelingt Real Madrid die Titelverteidigung. Das Team ist dominant wie zuletzt in den Fünfziger Jahren – und Cristiano Ronaldo der Alfredo Di Stefano der Moderne.

Es ist alles gesagt zu Cristiano Ronaldo. Wer ihn nicht mag, der mag ihn halt nicht und macht sich über seine Jubelposen und täglich wechselnden Frisuren lustig. Auch für das Champions-League-Finale in Cardiff hatte sich sein Coiffeur wieder etwas Neues ausgedacht, verspielte Locken, die am Tag nach Reals, nach Ronaldos 4:1-Sieg über Juventus Turin schon wieder weg waren. Aber ist das nicht billig? Den wahrscheinlich besten Fußballspieler der Welt auf Äußerlichkeiten zu reduzieren und seine Brillanz im Kerngeschäft zu negieren? Ronaldo hat die Antwort selbst gegeben, in einer schroffen Blumigkeit, die auch Bob Dylan gut zu Gesicht stehen würde: „Alle, die immer noch ein ‚Aber’ zu Cristiano sagen, können ihre Gitarren wieder in den Koffer packen.“

So what?, hätte Dylan hinterher geschoben, don’t think twice, it’s allright.

Als prominentester Gratulant eilte Sir Alex Ferguson herbei. Unten in den Katakomben des Millennium Stadiums, wo die Waliser mit Schautafeln ihre Rugby-Helden von der Weltmeisterschaft 2015 feiern, sie fand vor allem in England statt und ein bisschen auch in Wales. Der Schotte Ferguson hat Ronaldo in Lissabon entdeckt, in Manchester zum Weltstar gemacht und zwei Strategien entwickelt, wie dieser Mann zu stoppen ist: „Plan A: eine Machete! Plan B: ein Maschinengewehr!“ Juventus hatte beides nicht im Angebot.

Ronaldo ist jetzt 32 Jahre alt, er spielt seit 14 Jahren auf höchstem Niveau und ist ein sich stetig veränderndes, weiter entwickelndes Kunstwerk. Das hat auch Juventus Turin zu spüren bekommen. Die Italiener waren am Samstagabend ja gar nicht so viel schlechter als Real Madrid, aber sie hatten eben keinen Cristiano Ronaldo. Einen Stürmer, der kaum auffällt, aber wenn, dann auch richtig. Juves Argentinier Gonzalo Higuain tauchte über 90 Minuten genauso geschmeidig unter, was in seinem Fall allerdings sehr gut mit seinem kaum vorhandenen Einfluss auf das Spiel korrespondierte. Anders Ronaldo. Zwei Tore trugen das Signet des Madrider Portugiesen bei Reals erfolgreicher Titelverteidigung, es war die erste, seitdem es die Champions League gibt, und das sind jetzt auch schon 25 Jahre.

Ronaldos Real dominiert die größte Bühne des Klubfußballs so souverän, wie es ein halbes Jahrhundert zuvor das Real des Alfredo Di Stefano getan hat, als der Wettbewerb noch „Europapokal der Landesmeister“ hieß.

„Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne“

Da fügte es sich schön ins historische Bild, dass Ronaldo in Cardiff als erster Spieler überhaupt in drei verschiedenen Champions-League-Finals als Torschütze auftrat und natürlich ist das in Wales lang und breit diskutiert worden. Auch der Argentinier Di Stefano machte eines seiner bis heute unvergessenen Spiele in einer britischen Hauptstadt außerhalb Englands. Das Europapokalfinale 1960 im Glasgower Hampden Park gilt englischen Fernsehzuschauern bis ins dritte Jahrtausend hinein als bestes Klubspiel aller Zeiten. Real siegte 7:3 gegen Eintracht Frankfurt. Di Stefano schoss drei Tore und sein ungarischer Partner Ferenc Puskas gleich vier, beiden spannte das weiße Trikot schon über dem Bäuchlein.

Wer mag sich das schon beim Asketen Cristiano Ronaldo mit seinem Sixtysixpack vorstellen? Er selbst hat sich nie über Phrasen hinaus zu Di Stefano geäußert, es gibt nur ein paar gemeinsame, beinahe verschämte Fotos, was so unclever nicht ist. Historische Vergleiche sind immer schief und fast immer schlecht für den Jüngeren. Im konkreten Fall ist Di Stefano in einem Biotop groß geworden, das es nie wieder geben wird. Das Real Madrid der späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre zauberte jenseits der Allmacht der elektronischen Medien. Keine Fernsehbilder von misslungenen Pässen, vergebenen Torchancen oder hässlichen Fouls trüben das Bild des weißen Balletts. Und wer hat sich schon für Di Stefanos Frisur interessiert? Bei Real nannten sie ihn den „Blonden Pfeil“, aber auch „El Aleman“, den Deutschen. Wegen eben jener blonden Haare.

Aber was den Fußball betrifft, waren sie sich so unähnlich wahrscheinlich nicht. Wie Ronaldo hat Di Stefano sich immer nur für drei Dinge interessiert: Tore, Tore und Tore, in genau dieser Reihenfolge, seine Maxine hieß: „Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne.“ Und wie der frühe Ronaldo hatte er eine Schwäche für Tempodribblings und Tricks, die den Gegner lächerlich machen sollten. Es soll Spiele gegeben haben, da hatte Di Stefano die Parole ausgegeben, der Ball dürfe nur mit der Hacke abgespielt werden.

Trainer Zinedine Zidane ist der Schlüssel

Diese Stufe hat Ronaldo überwunden. In der Frühphase seiner Karriere war er ein sehr aufregender, aber nicht besonders sympathischer Spieler. Wenn Ronaldo im Mittelkreis Pässe hinter dem Standbein spielte, nahm ihm das viel von der Grandezza seiner atemraubenden Sololäufe, und die Kritiker der Neuzeit bemühen sich allzu oft, das Negative hervorzukehren. Was aber lässt sich gegen den neuen Ronaldo sagen? Gegen seine Effizienz und auch gegen seine Einsicht, dass er nicht mehr in dem Spiel in der Provinz dabei sein muss, um gegen Alaves, Granada oder Osasuna Ruhm und Torekonto zu mehren. Mittlerweile übt Ronaldo auch keine Choreographien mehr, in denen er mit verkopften Fingerkombinationen die Zahl seiner in welchem Wettbewerb auch immer erzielten Tore anzeigt.

Der Mann, der ihm zu dieser Erkenntnis verholfen hat, ist der Schlüssel hinter dem ewigen Erfolg des ewigen Ronaldo. Zinedine Zidane hat einem Egomanen so weit die Bedürfnisse einer Mannschaft an ihn eingebimst, dass sie davon profitiert und er dabei seinen Stolz behält, also das Bewusstsein, für die ganz besonderen Momente da zu sein. Der Franzose Zidane war vor dem Portugiesen Ronaldo der überragende Fußballspieler der Welt und verfügt damit über eine Kompetenz, die Reals Nummer 7 wohl kaum einem anderen auf der Welt zugestehen würde. Diese, nun ja, Unterordnung hat am Ende allen geholfen. Real, Zidane und natürlich auch Ronaldo. „Ich habe ein grandioses Finale gespielt, weil ich die Möglichkeit hatte, mich darauf vorzubereiten“, sprach er in der Nacht von Cardiff. „Es war eine gute Entscheidung von mir und meinem Trainer.“

Bob Dylan hätte das wahrscheinlich nicht ganz so selbstzufrieden erzählt, aber... so what.

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