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Sieg über die USA: Die Eisheiligen auf Schalke

Welch ein Moment für das deutsche Eishockey: Die Nationalmannschaft schlägt zum WM-Auftakt den Favoriten USA 2:1 und feiert auf Schalke mit 77.803 Fans.

Von Katrin Schulze

Und plötzlich war Felix Schütz allein. Vor fast 80 000 Zuschauern. Allein mit der Bande, die dem Nationalspieler in diesem Moment Halt bot. Gerade hatte er in der Verlängerung das Siegtor für die Deutschen geschossen.

Hatte er?

Die Schiedsrichter waren sich da nicht so sicher und bemühten den Videobeweis. Warten. Also hing sich Felix Schütz mit dem Kopf vorweg über die Bande, so als wollte er den Eishockey-Gott anflehen. „Ich war total nervös und habe gebetet“, erzählte der Stürmer hinterher. „Da war noch so ’n Halbzweifel.“ Doch nicht mal ein halber Zweifel war hier angebracht. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hatte zum Auftakt der Weltmeisterschaft tatsächlich die USA geschlagen – 2:1 hieß es gegen den Olympiazweiten von Vancouver. Und als auch die Schiedsrichter von dieser mittelschweren Sensation überzeugt waren, verwandelte sich die Schalker Arena in ein schwarz-rot-goldenes Festzelt. Felix Schütz selbst ging auf der großen Bühne, die in Wirklichkeit ein Eisoval war, in einem Knäuel gelb-orange gekleideter Männer unter, während die Massen auf den Rängen tobten, wie es sonst wohl nur bei einem Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Fall ist.

Hat man so etwas im Eishockey schon gesehen? Nein.

Wie auch: 77 803 Menschen hatten sich zuvor auch noch nicht um eine Eisfläche herum versammelt. Der Zuschauer-Weltrekord ist die eine Sache dieser Geschichte von Gelsenkirchen. Dass ein deutsches Nationalteam gegen die USA siegt, die andere. Nicht nur, weil die Gastgeber ihre Ausgangsposition für das Erreichen der Zwischenrunde dadurch verbessert haben, sondern weil sie endlich mal wieder einen Großen dieses Sports bezwingen konnten.

Bis Freitagabend datierte der letzte deutsche WM-Sieg über ein Team der Vereinigten Staaten aus dem Jahr 1993 – aus einer Zeit, in der die Amerikaner nicht unbedingt ihre stärksten Vertreter zu Weltmeisterschaften schickten. 17 Jahre später liefen bei ihnen bis auf eine Ausnahme nur Spieler aus der nordamerikanischen Profiliga NHL auf, und „es musste schon alles zusammenkommen, damit man sie schlägt“, wie Bundestrainer Uwe Krupp sagte. „Aber der Kampfgeist und die unglaubliche Kulisse haben uns getragen.“ Selbst Bundespräsident Horst Köhler ging nach der Partie in die deutsche Mannschaftskabine, um den verschwitzten Eishockeyprofis die Hand zu schütteln.

Vor den Devotionalienständen standen die Besucher nach Spielschluss geduldig in Schlangen, um sich ein Zeugnis des Erlebten zu besorgen. „Unser Ziel ist es bei dieser WM auch, Eishockey in Deutschland wieder salonfähig zu machen“, sagte Eisbären-Profi Constantin Braun, der nach 21 gespielten Sekunden in der Verlängerung den Siegtreffer für Felix Schütz auflegte. „Und dieses Spiel war die beste Werbung dafür.“

Hatte der ewige Außenseiter Deutschland in der Vergangenheit in entscheidenden Situationen oft versagt, so bewies er vor einer lange nicht dagewesenen Öffentlichkeit ein Gespür fürs Timing: Einen besseren Zeitpunkt hätte sich die Mannschaft kaum aussuchen können. Endras, der eigentliche Held dieses Sieges, wird am Montag gegen Finnland geschont, um dann gegen Dänemark fit zu sein. Tabellenführer in der WM-Gruppe D ist allerdings das dänische Team, das am Samstagabend überraschend die favorisierten Finnen mit 4:1 bezwungen hat.

Die Weltmeisterschaft, von der man vor ihrem Beginn den Eindruck gewinnen konnte, dass sie von einem Großteil der deutschen Bevölkerung nicht mal wahrgenommen wird, hat binnen eines Abends eine Beschleunigung erfahren, von der nun selbst den Verantwortlichen schwindelig werden könnte. Vor ihrem nächsten Gruppenspiel am Montag gegen Finnland muss die deutsche Mannschaft jetzt nur aufpassen, nicht wieder vorschnell ausgebremst zu werden. „Wir müssen die Euphorie dämpfen“, befand der Bundestrainer. „Es geht nicht darum, ein Spiel zu gewinnen, es geht darum, weiterzukommen und die richtigen Spiele zu gewinnen.“ Viel Falsches konnten Uwe Krupps Profis aber auch an diesem ersten Spiel nicht finden. Und irgendwann muss das auch zu Felix Schütz vorgedrungen sein, der bis zuletzt an der Wahrhaftigkeit seines Tores zu zweifeln schien.

„Das war eine Riesensache“, sagte er mit funkelnden Augen. „Einfach geil.“

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