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Sport: Silber vergoldet

Mit einem salomonischen Urteil ist am Freitag in Salt Lake City einer der größten Skandale in der Geschichte Olympischer Winterspiele vorläufig zu Ende gegangen. Das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vergab eine zweite Goldmedaille an die kanadischen Paarlauf-Zweiten Jamie Sale/David Pelletier.

Mit einem salomonischen Urteil ist am Freitag in Salt Lake City einer der größten Skandale in der Geschichte Olympischer Winterspiele vorläufig zu Ende gegangen. Das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vergab eine zweite Goldmedaille an die kanadischen Paarlauf-Zweiten Jamie Sale/David Pelletier. "Die Entscheidung fiel aus Gründen der Gerechtigkeit und Fairness", sagte IOC-Präsident Jacques Rogge. IOC-Vizepräsident Thomas Bach meinte: "Es war die einzig richtige Lösung. Das Fehlverhalten der französischen Preisrichterin musste Konsequenzen haben für das Endergebnis."

Die IOC-Entscheidung ist auf weitgehende Zustimmung gestoßen. Sale sagte: "Wir fühlen uns sehr gut, dass sie uns nun Gold gegeben haben." Zugleich äußerte sie ihr Bedauern darüber, dass die Affäre "von den anderen Athleten in Salt Lake City abgelenkt hat". Das habe den Spielen nicht gut getan. Pelletier meinte: "Die Gerechtigkeit hat gesiegt. Die Entscheidung ging nicht gegen die Russen." Die zweimalige Olympia-Siegerin Katarina Witt, die die Entscheidung des Paarlauf-Preisgerichts als "Skandal" bezeichnet hatte, begrüßte das IOC-Votum ebenfalls. Zur französischen Preisrichterin sagte sie: "Man muss mehr Ehrlichkeit auch unter einer Drucksituation erwarten. Sie hätte diesem Druck stand halten müssen."

Preisrichterin suspendiert

Die Preisrichterin Marie-Reine Le Gougne hatte in einem Brief an die Internationale Eislauf-Union (ISU) eingestanden, dass sie bei ihrer Entscheidung für das russische Siegerpaar Elena Bereschnaja und Anton Sicharulidse unter Druck von außen gestanden habe. In einer Sondersitzung beschloss das Council der ISU in der Nacht zum Freitag, die Französin mit "sofortiger Wirkung" zu suspendieren. Die ISU-Führung korrigierte das 5:4-Preisgerichtsurteil in ein 4:4 und empfahl dem IOC-Exekutivkomitee die Vergabe einer zweiten Goldmedaille.

Mit 7:1-Stimmen bei einer Enthaltung entschied die IOC-Führung nach einer sehr lebhaften Diskussion am Freitagvormittag, der Empfehlung der ISU nachzukommen. "Diese Entscheidung entspricht den Regeln des IOC. Sie ist im Sinne der Athleten", sagte Rogge bei einer Pressekonferenz zusammen mit ISU-Präsident und IOC-Mitglied Ottavio Cinquanta (Italien). Die Affäre werde "die olympische Bewegung nicht zerstören". Cinquanta kündigte weitere Untersuchungen gegen die französische Preisrichterin an. Die Dauer der Suspendierung ist unbefristet.

Bach argumentierte wie Rogge: "Die Entscheidung wird den Sportlern am meisten gerecht. Beide Paare sind legitime Olympiasieger." Die Übergabe der Goldmedaille an Sale/Pelletier ist für den 21. Februar nach der Damen-Entscheidung geplant. Unverändert Dritte bleiben die Chinesen Xue Shen/Hongho Zhao. Bereits am Donnerstagabend hatte das kanadische Nationale Olympische Komitee (COA) den Internationalen Sport-Gerichtshof (CAS) angerufen, um den Fall zu untersuchen. CAS hatte daraufhin die neun Preisrichter aufgefordert, sich für eine Anhörung in Salt Lake City bereitzuhalten. Ob CAS den Fall nun noch weiter verfolgen wird, war zunächst offen.

Die russischen Olympiasieger Bereschnaja und Sicharulidse hatten noch am späten Donnerstagabend in einer CNN-Talkshow keinen Grund für eine Änderung des Ergebnisses gesehen. "Wir finden, dass wir diese Medaille verdient haben", sagten sie. "Vieles in unserem Programm war besser als bei Jamie und David", fügte Sicharulidse im Gespräch mit CNN-Moderator Larry King hinzu: "Ich fühle mich wie ein olympischer Champion. Ich weiß nicht, warum es so einen riesigen Skandal um nichts gibt."

Laut Rogge ist mit der IOC-Entscheidung kein Präzedenzfall geschaffen worden. Es habe bereits drei derartige Fälle gegeben. Vergleichbar ist der Fall der kanadischen Synchronschwimmerin Sylvie Frechette. Sie war 1992 in Barcelona hinter Kristen Babb-Sprague (USA) Zweite geworden, weil ein brasilianischer Kampfrichter ihr 8,7 statt der beabsichtigten 9,7 Punkte zugesprochen hatte. Nach den Regeln des Schwimm-Verbandes hatte er seine versehentliche Computer-Eingabe nicht korrigieren dürfen. Ein Jahr später vergab das IOC-Exekutivkomitee eine zweite Goldmedaille an Sylvie Frechette.

Egon Boesten

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