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Simone Hauswald: Weisheit weist den Weg

Indische Philosophie und Religion – wie Biathletin Simone Hauswald ihre Krise verarbeitet hat.

Eines von Simone Hauswalds Lieblingsbüchern ist „Siddharta“ von Hermann Hesse. Er beschreibt darin den Weg eines Brahmanensohnes zu sich selbst, durch alle Höhen und Tiefen des Daseins. Es ist eine Auseinandersetzung mit der indischen Philosophie und Religion, mit dem Sinn des Lebens und dem Weg zur Weisheit. Wenn die Biathletin Simone Hauswald Bücher wie dieses liest, zündet sie eine Kerze an oder macht eine Duftlampe an, versinkt in eine andere Welt – und fühlt sich dann wieder voller Energie. Die 30-Jährige hat sich in den vergangenen Jahren viel mit sich selbst beschäftigt, nachgedacht und sich so aus sportlichen Krisen herausmanövriert.

„Vielleicht gehe ich durch meine asiatischen Wurzeln angehaucht einen anderen Weg“, sagte Hauswald, deren Mutter aus Südkorea stammt, nach ihrem Sieg beim Weltcup-Sprint in Oberhof. Es war der erste Erfolg für die deutschen Frauen in einem Einzelrennen in diesem Winter.

Seit Jahren gehört Hauswald zum deutschen Weltcupteam, doch die Stars und großen Sieger waren lange Zeit andere: Uschi Disl, Kati Wilhelm, Magdalena Neuner, Martina Beck und Andrea Henkel. Simone Hauswald dagegen stand sich immer wieder selbst im Weg, vor allem am Schießstand. Die Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City verpasste sie verletzt, 2006 in Turin war sie nur Ersatzfrau und durfte kein Rennen bestreiten. „Das waren bittere Tage. Die anderen hatten Medaillen umhängen und ich nicht“, erinnert sich Simone Hauswald. Sie wusste, sie war besser als viele andere Athleten, die sich ihren Traum von Olympia erfüllen durften – aber sie war eben nicht besser als ihre Kolleginnen im überragenden deutschen Team. „Ein einziger Einsatz wäre ja okay gewesen“, sagt Hauswald. Aber gar keiner? Sie verließ Turin noch vor dem Ende der Spiele, fix und fertig und unglaublich enttäuscht.

„Diese Tage haben mich reifen lassen. Ich habe viel daraus gezogen für die sportliche und private Entwicklung“, erzählt Hauswald, die auf ihrer Homepage Bücher wie Siddharta vorstellt, bewusste Ernährung thematisiert und im Detail beschreibt, wie Kneippgüsse funktionieren. Es war kein einsamer Waldspaziergang, auf dem sie wieder zu sich fand, es war ein langer Prozess. Richtig aufwärts ging es nach ihrer Hochzeit 2008 mit ihrem Trainer Steffen Hauswald. „Die Hochzeit hat irgendwas mit mir gemacht, ich bin gelassener geworden und ruhe mehr in mir selbst“, hat sie der „Welt“ erzählt.

WM-Dritte mit der Staffel war sie damals schon, doch für den ganz großen Erfolg hatte es nie gereicht. Erst mit 29 Jahren feierte sie in der vergangenen Saison ihre ersten drei Weltcupsiege, und das in drei verschiedenen Disziplinen: im Sprint von Hochfilzen, im Einzelrennen auf der Olympia-Strecke von Vancouver und im Massenstart von Chanty-Mansijsk. Beim WM-Sprint in Pyeongchang stand Simone Hauswald plötzlich als Zweitplatzierte neben Weltmeisterin Kati Wilhelm auf dem Treppchen. „In der Heimat meiner Mutter die erste WM-Einzelmedaille zu gewinnen, war traumhaft schön“, erinnert sich Hauswald.

Am Freitag folgte in Oberhof bei starkem Wind der nächste Erfolg. Nur einmal schoss sie daneben, war so entspannt, dass sie noch am Schießstand ein bisschen lächelte und zufrieden mit dem Kopf nickte. „Ich habe gedacht, wenn die anderen der Wind stört, stört er mich gerade nicht.“ Sie schoss nicht, wie sonst, von rechts nach links, sondern auf die Scheibe, in deren Richtung der Wind die Waffe trieb. „Ich habe mit dem Wind gespielt und nicht gegen ihn gekämpft.“ Kämpfen wird sie auch um ihren Einsatz bei Olympia nicht müssen. Ersatzfrau wird diesmal eine andere sein.

Erst nach der Saison will Simone Hauswald entscheiden, ob sie ihre Karriere fortsetzt. „Es gibt für Frauen noch andere Aufgaben“, sagt sie lachend. Kinder zu bekommen, zum Beispiel. Und sie kann sich vorstellen, im Coachingbereich zu arbeiten. Schon jetzt legt sie ihren Fans auf ihrer Homepage nahe, sich intensiv mit dem Leben auseinanderzusetzen. „Wir verlassen uns selten auf das, was wir fühlen, sondern machen das, was von uns erwartet wird“, schreibt sie. „Denkt einfach mal darüber nach!“

Helen Ruwald[Oberhof]

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