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Sixdays: Immer nur hinterher

Das Team Musiol/König war bei den Berliner Sixdays tagelang chancenlos – nun musste es aufgeben.

Berlin - Die schwarze und die rote Zehn gingen sich aus dem Weg. Die Koje von Karl-Christian König lag vor der Haupttribüne des Berliner Velodroms, die von Daniel Musiol auf der gegenüberliegenden Seite. Wenn die Dernyfahrer um die Bahn knatterten oder die Sprinter in die Pedale traten, zog sich jeder in seinen Bereich zurück. Eine Zweckgemeinschaft, der Veranstalter hatte sie dazu verdonnert, gemeinsam anzutreten. Einen Tag und fünf Nächte sollten sie beim Berliner Sechstagerennen ein Team bilden, sie brüllten sich während der Jagden bei der Ablösung kurze Kommentare zu – und hatten sich sonst nicht viel zu sagen.

Am Sonntagmittag einte sie nicht einmal mehr ein Ziel – außer, nicht vom Rad zu fallen und nicht aufzugeben. König und Musiol, beide 26 Jahre alt, fuhren einfach nur hinterher, Runde um Runde, Stunde um Stunde, Tag um Tag. Aussichten auf Besserung: keine. Bei 17 Runden Rückstand zur Halbzeit glaubten sie selbst nicht mehr so recht daran, noch eine Runde aufholen und Vorletzte werden zu können.

Zu geschlaucht war König, der angeschlagen in die Sixdays gegangen war. Gestern erteilte ihm die Bahnärztin wegen einer Grippe ein Fahrverbot – König ignorierte es zunächst, ehe sich die Ärztin am späten Nachmittag doch durchsetzte: Aus und vorbei, verordnete Erholung statt Knochenjob mit wenig Schlaf. Mit 23 Runden Rückstand löste sich Team 10 auf. Die schwarze und die rote Zehn gehen wieder getrennte Wege.

„Dabei sein ist immer noch besser als zuhause auf dem Sofa zu sitzen“, hatte König zuvor gesagt, einen dicken schwarzen Schal gegen Zugluft um den Hals. Zwischendurch gelang es ihm sogar, den Hallensprecher zu täuschen. Als er Sonntagmittag zu Beginn der Großen Jagd einen freilich nur eine Minute währenden Rundengewinn herausgefahren hatte, brüllte der Sprecher: „Karl-Christian König ist wieder im Vollbesitz seiner Kräfte!“

Wegen der „lokalen Sponsoren“ und der tollen Stimmung wollte König, der dem Berliner Verein RSV Werner Otto angehört, durchhalten, auch wenn „die laute Musik schon auf den Kopf geht, aber man kann sich ein bisschen zurückziehen“. Der Vorhang vor der Koje und das Kissen, unter dem man den Kopf vergraben kann, sind freilich kein echter Schallschutz gegen tausende Trillerpfeifen.

Hätte König schon vor dem Startschuss am Donnerstag kapituliert, wäre Musiol gleich ein Ersatzfahrer zugeteilt worden. Nun wird er wohl mit Marcel Barth, dessen Partner Sebastian Siedler sich den Arm gebrochen hat, ein neues Team bilden. Doch so lange König sich weigerte aufzuhören, zwang er auch seinen Partner, beim chancenlosen Rundendrehen mitzumachen. Ein Egoist, der scharf aufs Startgeld war, in einem Team ohne Teamgeist? Oder ein Sportler im bewundernswerten Kampf gegen den eigenen Körper? „Es ist leicht zu sagen, das kotzt mich an, aber man kann auch mal selbst betroffen sein“, sagte Musiol, der 2006 mit Erik Zabel für das Team Milram fuhr, betont diplomatisch. Es war ihm anzuhören, dass es ihn ziemlich nervte, „dass schon am ersten Abend unser Schicksal besiegelt“ war.

Sein Partner auf Zeit hatte lange kein Einsehen. Die Bahnärztin schon.

Helen Ruwald

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