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Macht mal nicht so eine Welle. Das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 um Präsident Franz Beckenbauer (2. v. r.) sowie die Vizepräsidenten Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach streitet heute alle Bestechungsvorwürfe ab.

© dpa

Skandal um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Der DFB geht in die Offensive

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach streitet ab, die WM 2006 gekauft zu haben und kündigt rechtliche Schritte an. Alles hängt jetzt an Dokumenten.

Es sind nur drei Buchstaben: RLD. Drei Buchstaben, die mit beweisen sollen, dass Deutschland die WM 2006 gekauft hat. RLD, das ist das Kürzel für Robert Louis-Dreyfus. Wolfgang Niersbach soll diese Abkürzung verwendet haben. „Das vereinbarte Honorar für RLD“, steht laut „Spiegel“ in Niersbachs Handschrift gekritzelt auf dem Rand einer geheimen Geldanweisung vom 23. November 2004, die dem Magazin offenbar vorliegt. Es wäre ein Indiz, dass Niersbach nicht nur von einer schwarzen Kasse für die WM wusste, sondern die verdeckte Rückzahlung des geliehenen Geldes an Louis-Dreyfus sogar mit angewiesen hätte.

Das wäre fatal für Niersbach. Als Einziger des damaligen Bewerbungs- und späteren Organisationskomitees (OK) ist er noch in Amt und Würden. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wäre, falls die Vorwürfe stimmen sollten, in diesem Amt ebenso wenig zu halten wie als möglicher Kandidat für die Chefämter bei Uefa und Fifa. Für Niersbach stehen Karriere und Lebenswerk auf dem Spiel.

So ist es wenig überraschend, dass Niersbach sich noch vehementer wehrt als die übrigen Beschuldigten aus dem OK-Umkreis, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Theo Zwanziger, Fedor Radmann und Horst R. Schmidt. „Die WM 2006 war nicht verkauft“, sagte Niersbach am Samstag in einem in einem Interview der eigenen DFB-Webseite. Es habe definitiv keine schwarzen Kassen und keinen Stimmenkauf gegeben. „Das kann ich allen Fußballfans versichern. Auch der ,Spiegel’ hat dafür keine Beweise genannt.“

Wie lassen sich die Vorwürfe beweisen?

Niersbach spielt ein in der Tat schwieriges Thema an: den Nachweis, wofür das Geld verwendet wurde. Falls der damalige Adidas-Chef Louis-Dreyfus den Deutschen wirklich heimlich und privat umgerechnet 6,7 Millionen Euro lieh – wie lässt sich beweisen, dass dieses Geld wirklich zum Stimmenkauf bei der WM-Vergabe eingesetzt wurde? Der „Spiegel“ zitiert anonym einen hohen DFB-Funktionär, der nach dem Verbleib des Geldes gefragt habe. „Damit haben wir die vier Asiaten bezahlt“, habe ihm WM-Botschafter Günter Netzer geantwortet. Netzer stritt diese Aussage auf Nachfrage ab, die asiatischen Wahlmänner geben keine Auskunft.

Die Anwälte des DFB sind laut Niersbach überzeugt, der „Spiegel“ sei jeden Beweis für die Behauptung, die WM sei gekauft worden, schuldig geblieben und sollen rechtliche Schritte einleiten. Dabei räumte er eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro an die Fifa im April 2005 ein. „Ich habe diesen Sommer davon erfahren und eine interne Prüfung veranlasst“, sagte Niersbach, das Ergebnis sei offen, aber er könne bereits einen Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 ausschließen.

Laut „Spiegel“ sollte die Fifa das Geld an Louis-Dreyfus weiterleiten, als verdeckte Rückzahlung. Die zweite Seite des Geheimdokuments lese sich wie eine Gebrauchsanweisung zur Geldwäsche, heißt es im Text. Die Geldanweisung an das Fifa-Konto sei von Horst R. Schmidt und vom damaligen DFB-Präsidenten und OK-Vize Theo Zwanziger unterschrieben. Unter Niersbachs Notiz habe Schmidt mit einer Anmerkung von Louis-Dreyfus den „Schuldschein zurück“-gefordert, den offenbar OK-Chef Beckenbauer unterschrieben habe. Demnach hätten die Beteiligten nicht nur von dem Geld gewusst, sie hätten es selbst umher geschoben. Die Existenz einer schwarzen Kasse bestreiten jedoch alle, nur Zwanziger lässt sie offen.

Wolfgang Niersbach: "Ich kann mich daran absolut nicht erinnern"

Was seine angebliche Randnotiz angeht, äußerte sich der frühere OK-Vizepräsident Niersbach auffallend schwammig. „Auch hier bin ich ganz ehrlich: Ich kann mich daran absolut nicht erinnern“, sagte er, und bat die Redaktion, „uns dieses Papier zu überlassen“, um es zu prüfen, auch die Handschrift. An den beiden dünnen Seiten Papier hängt nun viel: die Glaubwürdigkeit des DFB oder des Magazins.

Aus der Politik kommt bereits der Ruf nach schneller Aufklärung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier riet dem DFB, „schnellstmöglich Untersuchungen einzuleiten und die offenen Fragen zu klären“. Neben dem DFB kündigte auch die Fifa interne Ermittlungen an. Die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags, Dagmar Freitag, verlangt jedoch eine externe Untersuchung. Sie habe Zweifel an den Selbstreinigungskräften des Sports, „und ich vermute mal, dass sich auch die Staatsanwaltschaft für die Vorgänge interessieren könnte“, sagte sie dem „RBB“.

Ermittler werden wohl auf eine Mauer des Schweigens und Abstreitens treffen. „Ich bin bereit, dies sogar zu beeiden: Wir haben keine Stimmen gekauft“, sagte Radmann, einst OK-Vizepräsident, dem Sender Sky. Ähnlich äußerte sich Schmidt, damals auch OK-Vize. Beckenbauer schwieg bisher dazu. Und RLD, Robert Louis-Dreyfus, kann nicht mehr auf die Frage antworten, ob er das Geld verliehen und auch wirklich zurückerhalten hat. Der Franzose nahm das Wissen 2009 mit ins Grab.

Der mögliche Skandal rund um den Fifa-Zuschlag der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland hat selbstverständlich für Reaktionen in anderen Ländern gesorgt. Eine Übersicht finden Sie hier. Alle weiteren Informationen zum Nachlesen:

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