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Streitfall. Evans (l.) trainiert nach zwei Jahren Haft wieder in Sheffield.

© AFP

Skandal: Verurteilter Vergewaltiger Ched Evans zurück als Fußballprofi

England diskutiert über den Fall des Angreifers von Sheffield United.

Ched Evans spielt Fußball. Das erscheint auf den ersten Blick nicht sonderlich brisant. Schließlich ist Ched Evans Profifußballer, für Sheffield United hat der Stürmer 42 Tore in 103 Partien geschossen. Dreizehn Mal durfte er sogar als walisischer Nationalspieler auflaufen. Und doch ist es bemerkenswert, dass Ched Evans im Profifußball aktiv ist – wieder. Vor zwei Jahren wurde der heute 26-Jährige zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, eine 19 Jahre alte Frau in einem Hotelzimmer vergewaltigt zu haben. Nach nur zwei Jahren durfte er das Gefängnis verlassen und wollte wieder ein normales Leben führen. Er hat sogar ein Video veröffentlicht, in dem er das Publikum um eine zweite Chance bittet. Im Video sitzt er auf dem Sofa, seine Freundin sitzt neben ihm. Er sieht ernst aus. Traurig. Reumütig.

Reumütig? Evans findet kein Wort der Entschuldigung für das Opfer

Reumütig? Obwohl Evans von „einer schmerzhaften Lektion“ redet, bietet er dem Opfer seines Verbrechens kein Wort der Entschuldigung an. Zudem dementiert er weiterhin deutlich seine Schuld. Er habe seine Freundin betrogen, aber keinen Menschen vergewaltigt, sagt er.

Vor allem aus dem Grund unterschrieben mehr als 150 000 Menschen in den letzten Wochen eine Petition an den Drittligisten Sheffield United. Die Unterzeichnenden wollten den Verein überzeugen, den verurteilten Vergewaltiger nicht wieder bei sich aufzunehmen.

Doch Sheffield United hat dieses Begehren ignoriert. Diese Woche kündigte der Klub an, dass Ched Evans zwar noch keinen Vertrag unterschrieben hat, aber wieder bei Sheffield United trainieren darf. Unterstützt wird der Klub dabei von der Gewerkschaft britischer Profifußballer (PFA). „Wir leben in einer zivilisierten Gesellschaft“, sagte PFA-Geschäftsführer Gordon Taylor. „Er sollte wieder in die normale Gesellschaft zurückkehren dürfen.“

„Das ist eine verheerende Nachricht für alle Vergewaltigungsopfer“, erklärte eine Opfer-Organisation.

Die Entscheidung der PFA und des Vereins hat allerdings für Empörung gesorgt. „Das ist eine verheerende Nachricht für alle Vergewaltigungsopfer“, erklärte eine Opfer-Organisation. „Es bedeutet: Vergewaltigung ist nicht so schlimm, auch wenn man verurteilt wird.“

Am Dienstagabend gab die Fernsehmoderatorin und Schirmherrin der Sozialstiftung von Sheffield United, Charlie Webster, in der BBC-Nachrichtensendung „Newsnight“ ihren Rücktritt bekannt. „Ched Evans geht nicht einfach wieder seinem Job nach“, begründete Charlie Webster ihre Entscheidung. „Als Fußballspieler ist er ein Vorbild für junge Männer und prägt deren Einstellungen zu Frauen.“

Sollte ein verurteilter Vergewaltiger bejubelt werden dürfen?

Dann stellte Webster die Fragen, denen sich der Fußball bisher nicht stellen wollte. Sollte ein verurteilter Vergewaltiger bei aller Chance auf Wiedergutmachung wirklich bejubelt werden dürfen? Haben die Vereine und die Verbände nicht die Verantwortung, mit Themen wie Vergewaltigung offensiver umzugehen?

Laut Websters Einschätzungen haben die Verantwortlichen bisher nur Feigheit gezeigt. Der englische Fußballverband FA hat bisher nur von „einem schwierigen Dilemma“ gesprochen, statt eine klare Strategie für den Umgang mit Evans zu erläutern.

Der Fall stürzt den englischen Fußball in ein moralisches Dilemma

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die FA und die Vereine einer derartigen Kritik ausgesetzt sehen. Auch nach den Rassismus-Vorwürfen gegen Spieler wie Luis Suarez und John Terry wurden die Verantwortlichen im Fußball heftig kritisiert, weil sie entweder die Täter stützten oder lieber schwiegen. Der Fall von Ched Evans hat den englischen Fußball schon wieder mitten in ein moralisches Dilemma gestürzt. Und es zeigt sich wieder, dass damit kaum jemand angemessen umgehen kann.

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