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Lanzinger

© AFP

Ski alpin: Lanzingers Unterschenkel nach Sturz amputiert

Der Unterschenkel von Österreichs Skiprofi Matthias Lanzinger war nach dem schweren Sturz vom Sonntag in Kvitfjell nicht mehr zu retten und musste amputiert werden. Dass der Abtransport von der Piste ungewöhnlich lange dauerte, erregt nun den österreichischen Skiverband.

Matthias Lanzinger ist der Unterschenkel amputiert worden. Alle Bemühungen der Ärzte, das Bein des 27 Jahre alten Salzburgers zu retten, scheiterten. Der österreichische Ski-Rennläufer war beim Weltcup-Super-G im norwegischen Kvitfjell schwer gestürzt. Die Operation wurde am Dienstag in Oslo durchgeführt. Eine geplante Verlegung nach Salzburg war nicht mehr möglich, nachdem sich der Zustand Lanzingers erheblich verschlechtert hatte.

Die Betroffenheit im alpinen Ski-Zirkus und speziell beim Österreichischen Skiverband (ÖSV), der wegen des verzögerten Abtransportes von Lanziger sogar rechtliche Schritte erwägt, ist groß. "Jeder Läufer weiß, dass es ein Restrisiko gibt. Aber dass man nach einem Beinbruch sein Bein verliert, ist unvorstellbar", sagte der geschockte ÖSV-Alpinchef Hans Pum. Lanzingers Freund und Zimmerkollege Georg Streitberger, der seinen ersten Weltcup-Sieg feierte, war ebenfalls fassungslos: "So wollte ich nicht gewinnen."

Für Österreichs Skistar Hermann Maier ist "die Tragik der Geschehnisse unfassbar. Momentan durchlebe ich noch einmal die Folgen meines Unfalls 2001 und stelle fest, dass ich mit Matthias mehr leide als damals unter meinem Los", erklärte Maier.

Zwei mehrstündige Operationen

Zwei Mal wurde Lanzinger mehrere Stunden operiert, bevor alle Bemühungen gescheitert waren. "Die Durchblutung des Fußes konnte wieder hergestellt werden, aber in Folge der Dauer der Ischämie (Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff) und begleitenden Weichteilschäden konnte die Durchblutung nicht stabilisiert werden. In Folge des irreparablen Gewebeschadens ist eine Amputation zur Vermeidung von dauerhaften schwerwiegenden Folgen unvermeidbar", erklärte der Salzburger Professor und Gefäßspezialist Thomas Hölzenbein, den der ÖSV eigens nach Oslo hatte einfliegen lassen.

Der 27 Jahre alte Lanzinger war am Sonntag beim Super-G in Kvitfjell schwer gestürzt und hatte sich einen offenen Bruch des linken Schien- und Wadenbeines zugezogen. Bei der ersten Operation am Sonntag in Oslo waren Komplikationen wegen starker Gefäßverletzungen aufgetreten. Lanzinger war deshalb in einem künstlichen Koma gehalten worden.

Inzwischen gibt es massive Kritik von Seiten des ÖSV, da der Abtransport Lanzingers nach dem schweren Unfall angeblich viel zu lang gedauert hatte. "Es wird im Moment keine Schuldzuweisungen geben. Es geht nur um die Gesundheit von Matthias. Aber der ÖSV wird sich diesen Unfall sehr genau anschauen und alle rechtlichen Konsequenzen ausschöpfen", sagte Pum den Salzburger Nachrichten.

Der für die Not-OP verantwortliche Lars Engebretsen, Chefarzt der chirurgischen Abteilung des Universitäts-Krankenhauses Oslo, sagte allerdings der Nachrichtenagentur NTB: "Entscheidend war der Umfang der Schäden. Und der fiel wegen der sehr hohen Geschwindigkeit sehr, sehr groß aus. Es dauert sechs bis acht Stunden, ehe Gewebe abstirbt. Innerhalb dieses Zeitraumes kam er bei uns an."

Massive Kritik an Abtransport

Auch Unfallchirurg Artur Trost, der dem österreichischen Skistar Hermann Maier 2001 den Unterschenkel nach dessen schweren Motorradunfall gerettet hatte, sprach von "Wahnsinn, dass Matthias fünf Stunden transportiert wurde. Da geht es um jede Minute."

Angeblich musste aus einem Touristenhubschrauber erst eine Sitzbank entfernt werden, um den schwer verletzten Sportler vom Zielraum aus ins Krankenhaus nach Lillehammer fliegen zu können. Dort war jedoch offenbar festgestellt worden, dass die Klinik nicht über die für so eine Operation nötigen Gerätschaften verfügt. Erst daraufhin war Lanzinger nach Oslo weitergeflogen worden.

Der deutsche FIS-Renndirektor Günter Hujara kündigte im Gespräch mit dem sid an, "dass wir die ganze Sache sehr genau überprüfen werden". Es seien jedoch auch in Kvitfjell alle vom Ski-Weltverband Fis für eine Weltcuprennen geforderten und verbindlichen Maßnahmen eingehalten worden.

Pechvogel Lanzinger

Lanzinger bestritt in seiner Karriere 40 Weltcup-Rennen. Er debütierte 2004 in Lake Louise. Ein Jahr später feierte er beim Super-G in Beaver Creek mit Platz drei seinen größten Erfolg. Der 27-Jährige galt aber schon immer als besonderer Pechvogel. Erst zu Beginn der Saison war er wegen eines Mittelhandbruches mehrere Wochen ausgefallen.

Besonders bitter war der Unfall auch für Georg Streitberger. Dieser konnte sich über seinen ersten Weltcupsieg überhaupt nicht freuen. Lanzinger hatte auf der Piste liegend sogar noch nach einem Handy gefragt, um seinem Freund zu dessen Erfolg zu gratulieren.

In dieser Saison hatte es bereits einige schwere Stürze im alpinen Weltcup gegeben. Aksel Lund Svindal aus Norwegen, Gesamtweltcupsieger des vergangenen Winters, hatte im Training für die Abfahrt in Beaver Creek (USA) Ende November 2007 eine tiefe Schnittwunde in der Leistengegend sowie schwere Gesichtsverletzungen erlitten und seitdem kein Rennen mehr bestritten.

Zahlreiche Stürze in dieser Saison

Glück im Unglück hatte der US-Amerikaner Scott Macartney bei einem Horror-Sturz auf der berüchtigten Streif in Kitzbühel. Die Ärzte stellten bei dem Olympia-Teilnehmer von 2002 und 2006 ein "isoliertes Schädel-Hirn-Trauma" fest. Der Abfahrtsspezialist war deshalb eine Nacht in einem künstlichen Koma gehalten worden. Er war am nächsten Tag jedoch schon wieder ansprechbar.

In der vergangenen Woche hatte sich der Deutsche Stephan Keppler aus Ebingen beim Abfahrts-Training im norwegischen Kvitfjell einen Kreuzbandriss zugezogen. Der 25-Jährige fällt rund sechs Monate aus. (jvo/sid)

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