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Isabella Laböck ist auf dem Snowboard eine der wenigen deutschen Medaillenkandidaten.

© dpa

Ski-Freestyle: Den Abflug verpasst

Die Deutschen kämpfen im Ski-Freestyle um den Anschluss, denn bei den olympischen Winterspielen in Sotschi werden bei den Trendsportarten Skicross, Freestyle und Snowboard 20 Goldmedaillen vergeben.

Shaun White ist in den USA ein Star, der allein über Werbung mehrere Millionen Dollar jährlich verdient – als Snowboarder. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. Hier stehen die jugendlichen Trendsportarten des Winters im Schatten der konservativen Sportarten. Es klingt makaber, aber so richtig in den Mittelpunkt geraten die Ski-Freestyler hierzulande nur bei tragischen Unglücksfällen wie dem Tod des kanadischen Skicrossers Nick Zoricic beim Weltcup im März 2012 in Grindelwald. Oder, wenn gerade olympische Winterspiele anstehen.

2010 zum Beispiel, nach den Spielen von Vancouver, beklagte die deutsche Sportführung, dass die Medaillenlosigkeit in den sogenannten jungen Disziplinen Deutschland Platz eins in der Nationenwertung gekostet habe. „Wenn man sieht, welche Anzahl an Medaillen im Skicross, Freestyle und Snowboard vergeben wird, müssen wir uns mit dem DOSB gemeinsam die große Grundsatzfrage stellen, wie wir im Medaillenspiegel 2014 und 2018 unter den Top drei bleiben wollen, wenn wir diese Dinge nicht mit abdecken“, sagte Skiverbands-Präsident Alfons Hörmann.

Derzeit, ein Jahr vor den nächsten Winterspielen in Sotschi, findet in Norwegen die Weltmeisterschaft im Ski-Freestyle statt. Als dort die ersten Goldmedaillen längst vergeben waren, befand sich das deutsche Team gerade auf der Anreise. Die 13 WM-Starter kämpfen am Wochenende ausschließlich im Skicross und im Slopestyle um Gold. In der Halfpipe, der Buckelpiste und den Aerials fehlen deutsche Teilnehmer. Skicross-Sportchef Heli Herdt gibt sich trotzdem zuversichtlich: „Wir sind hier bei der WM mit Leuten am Start, die um die Medaillen mitfahren sollen.“ Man sei gerade dabei, das „große Schiff in Bewegung zu bringen“.

Es geht aufwärts, aber eben nur langsam

Bei der Snowboard-WM im Januar im kanadischen Stoneham holte Isabella Laböck Gold (l.) und Amelie Kober Bronze (r.).
Bei der Snowboard-WM im Januar im kanadischen Stoneham holte Isabella Laböck Gold (l.) und Amelie Kober Bronze (r.).

© dpa

Vier Podestplätze gab es im Weltcup in diesem Winter bereits in seiner Spezialdisziplin, in der vier Skifahrer gemeinsam auf einen wilden Ritt mit Sprüngen und Kurven gehen. Auch im Slopestyle, bei dem eine Jury bewertet, wie man einen Parcours mit Hindernissen und Sprüngen bewältigt, sind die Deutschen auf dem Weg nach vorne. Von der Snowboard-WM im Januar im kanadischen Stoneham kam das deutsche Team bereits mit Gold für Isabella Laböck und Bronze für Amelie Kober nach Hause. Es geht also langsam aufwärts. Aber eben nur langsam. „Du musst erst das Geld und das richtige Team aus Betreuern und Sportlern finden“, sagt Herdt dazu. Und so etwas dauert in der Sportpolitik.

Es dauerte zum Beispiel bis September 2012, ehe der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) 190 000 Euro für die Freestyle-Skifahrer freigab. Damit und mit den aufgestockten Finanzmitteln des Deutschen Skiverbandes (DSV) sei man finanziell so ausgestattet, dass der Sport auf einer vernünftigen Basis betrieben werden könne, sagt Herdt. Es bleiben trotzdem große Probleme. Im Sprungwettbewerb Aerials, für den zum Beispiel in China per Dekret Trampolinspringer oder Turner umgeschult werden, gibt es in Deutschland keinen konkurrenzfähigen Athleten. Bei der Buckelpiste bemüht man sich nach einer sportlichen Rückwärtsentwicklung um einen Neustart. Und in der Halfpipe, dem Terrain von Shaun White, ist es besonders kritisch.

„Es gibt weiterhin keine Pipe in Deutschland“, erzählt Herdt: „Im Ski ist der Halfpipe-Sport im Moment dafür noch zu klein und die Liftbetreiber scheinen nicht ausreichend motiviert.“ Die besten deutschen Sportler trainierten zuletzt zwar erstmals vier Wochen in Nordamerika, für richtig gute Ergebnisse aber wären zwei weitere Monate nötig.

Doch warum eigentlich? Dem DSV, der seine Gelder ausschließlich privatwirtschaftlich erlöst, sind finanzielle Grenzen gesetzt. Da geht es schlicht und einfach auch danach, welches Marktpotenzial eine Sportart hat. Im Gegensatz zu den USA oder Kanada, wo die coolen Trendsportarten zur Skikultur gehören und die Stars weithin bekannt sind, müssen deshalb innovative Förderlösungen her.

Skicross-Sportchef Heli Herdt nennt als Vorbilder ausgerechnet traditionelle Sportarten wie Bob, Rodeln oder Skeleton, in denen Deutschland trotz nicht vorhandener Breite an Athleten immer wieder viele Medaillen holt. Die deutsche Dominanz im Eiskanal wird allerdings immer unwichtiger. In Sotschi gibt es hier insgesamt neunmal Gold zu gewinnen, bei den Trendsportarten Skicross, Freestyle und Snowboard werden dagegen 20 Olympiasieger und damit acht mehr als in Vancouver gekürt. Deutschland hat sich vorgenommen, im Duell gegen Stars wie Shaun White fünf Medaillen zu gewinnen. Nach Lage der Dinge ist das ein sehr ambitioniertes Ziel.

Lars Becker

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