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Sport: Ski-Springen: Schmitt fliegt dem Chaos davon

Martin Schmitt hat für ein Happy-End der Chaosflugtage von Oberstdorf gesorgt. Der viermalige Weltmeister segelte am Sonntag vor 40 000 Zuschauern mit Traumflügen auf 200 und 202,5 Meter zu seinem 26.

Martin Schmitt hat für ein Happy-End der Chaosflugtage von Oberstdorf gesorgt. Der viermalige Weltmeister segelte am Sonntag vor 40 000 Zuschauern mit Traumflügen auf 200 und 202,5 Meter zu seinem 26. Weltcup-Sieg. Da Schmitt bei dem von einer schlimmen Sturzserie überschatteten Fliegen am Vortag nur auf Platz fünf gelandet war, kann er seinen Traum vom historischen dritten Gesamtweltcup-Sieg in Folge abschreiben. Der Pole Adam Malysz ist mit 261 Punkten Vorsprung bei vier ausstehenden Springen praktisch nicht mehr einzuholen.

"Ich hatte den Gesamtweltcup schon lange abgehakt. Ich freue mich riesig über diesen Triumph, zumal ich nach den stressigen WM-Tagen völlig platt bin. Mein Sieg war sicher auch für die tollen Zuschauer ein versöhnlicher Abschluss", erklärte der mit 60 000 Mark belohnte Schmitt, der die nach ihrem Goldtriumph von Lahti schwachen deutschen Flieger vor einer Blamage rettete. Mit 395,0 Punkten verwies Schmitt den Polen Malysz mit 0,4 Punkten oder 30 Zentimeter Vorsprung (201,5 + 201,5 Meter / 394,6 Punkte) auf Platz zwei. Es war die zweitknappste Entscheidung der Skiflug-Geschichte - 1999 hatte Schmitt in Planica mit 0,3 Punkten Rückstand Platz zwei hinter Hideharu Miyahira (Japan) belegt.

Dritter in Oberstdorf wurde Risto Jussilainen (201,5 + 202,5 / 394,3). Der Finne hatte am Vortag für Flüge auf 198 und 197 Meter 384,5 Punkte erhalten und ausgerechnet beim sogenannten Sturzfliegen den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere gefeiert. Flankiert wurde er auf dem Siegerpodest von seinen Landsleuten Veli-Matti Lindström und Matti Hautamäki.

Der Sport geriet aber zur Nebensache: Vorspringer Gerhard Freudig erlitt nach einem bösen Crash eine Gehirnerschütterung und brach sich das Handgelenk. Danach mussten die Organisatoren in einer einmaligen Nachtaktion sogar Teile der Vip-Tribüne demontieren. Einer Demontage glichen auch die Platzierungen des in Lahti noch goldgekrönten Schmitt-Gefolges: Skiflug-Weltmeister Sven Hannawald (Hinterzarten) landete auf den Plätzen 13 und 25, Christof Duffner (Schönwald) wurde 14. und 16., der Oberstdorfer Georg Späth landete am Sonntag auf Platz 13. "Ich ziehe wieder mal den Hut vor Martin, der nicht mehr der Frischeste war. Der Rest des Teams ist ziemlich am Ende, speziell Sven Hannawald hätte ich gar nicht mehr fliegen lassen dürfen", sagte Bundestrainer Reinhard Heß.

Das spannende Fliegen am Sonntag mit sechs Flügen über die 200-m-Marke entschädigte nur teilweise für die Organisationspannen vom Vortag. Der erste Durchgang wurde nach 19 Springern und einem halben Dutzend Stürzen abgebrochen. Ein Vorspringer musste mit Armbruch und Gehirnerschütterung in ein Krankenhaus eingeliefert werden. "Es kann nicht sein, dass die Athleten bereits im Anlauf ans Abbremsen denken müssen", sagte Heß. Beim Millionen teuren Umbau der Heini-Klopfer-Flugschanze wurden größere Flugweiten dadurch möglich, dass der Aufsprunghang ausgebaggert und der Auslauf nun in einem kurzen Gegenhang besteht, der durch eine Vip-Tribüne und Werbebanden begrenzt wird. Das Springen wurde mit dem Noteinsatz einer Pistenraupe und der blitzartigen Entfernung der Werbebanden gerettet. Samstagnacht wurden zudem die ersten beiden Reihen der Vip-Tribüne demontiert, um den Springern zwei Meter mehr Bremsweg zu ermöglichen. "Der Anlauf entsprach zwar den Normen, aber er war unter den gegebenen Umständen einfach zu kurz", erklärte Walter Hofer, Skisprung-Chef des Internationalen Skiverbandes FIS. Die Flüge wurden zur Nebensache, das Publikum quittierte stattdessen jeden gelungenen Bremsversuch vor der Vip-Tribüne mit frenetischem Beifall. Die außerdem wegen Problemen mit der Anlaufspur kritisierten Organisatoren in Person von Skiclub-Chef Claus-Peter Horle taten die Vorwürfe als "Schlaumeierei" ab: "Es sind viele ungünstige Bedingungen zusammengekommen, auf der Straße kann man ja auch nicht jede Eisplatte berechnen." Und Helmut Weinbuch, der Generalsekretär des Deutschen Skiverbandes (DSV) ließ sich folgender Bemerkung verleiten: "Bei gefrorenem Schnee kann man rechen, wie man will. Und wenn wir den Auslauf um zehn Meter verlängern, krachen auch welche herein."

Helen Ruwald

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