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Immer weiter. Severin Freund ist perfekt in die Saison gestartet.

© Reuters

Skispringen: Severin Freund: Fliegen verlernt man nicht

Der starke Weltcup-Auftakt von Skispringer Severin Freund verblüfft sogar Bundestrainer Werner Schuster.

Von Johannes Nedo

Severin Freund hat einen neuen prominenten Fan hinzugewonnen. In Kuusamo winkte ihn ein alter Zuschauer mit langem weißem Bart, rotem Mantel und weiß-roter Wollmütze zu sich heran. Doch Freund ließ sich nicht davon irritieren, dass ihn ein sehr echt aussehendes Weihnachtsmann-Double um ein gemeinsames Foto bat – und er posierte strahlend mit ihm. Freund war nach den Wettkämpfen des ersten Weltcup-Wochenendes so glücklich, er hätte sich wahrscheinlich auch mit einem Fan im Osterhasen-Kostüm ablichten lassen. Die ersten beiden Springen im finnischen Kuusamo verliefen viel besser, als er es zu träumen gewagt hatte. Am Freitag wurde er Zweiter hinter dem Slowenen Domen Prevc – und am Samstag gelang ihm der 22. Sieg seiner Karriere. „Das hätte ich absolut nicht erwartet. Glauben kann ich das noch nicht so ganz“, sagte der 28-Jährige vom WSV DJK Rastbüchl. „So hätte ich es mir nicht einmal wünschen können.“

„Das war zäh und relativ mies“

Der Bayer reagierte vor allem deshalb so überrascht, weil er sich im vergangenen April einer Hüftoperation unterziehen musste. Erst nach einer fast fünfmonatigen Pause konnte er wieder trainieren. Ihm fehlten daher zahlreiche Sprünge während der Vorbereitung. Freund wähnte sich noch auf der Suche nach dem richtigen Fluggefühl. Umso verblüffter war er, wie überragend es nun gleich zum Auftakt lief. Obwohl es auch ein paar sichtbare Punkte gab, mit denen er noch zu kämpfen hatte. Am Freitag hatte er bei der Landung Probleme. „Das war zäh und relativ mies“, sagte er. „Aber wir haben dann die richtigen Stellschrauben gefunden – und es hat gewirkt.“

Am Samstag spielte er dann seine gesamte Klasse aus. Er hatte zunächst die besten Windbedingungen aller Starter und machte auch das Beste daraus. Freund sprang sehr aggressiv ab und flog auf 146 Meter – nur einen Meter kürzer als der Schanzenrekord des Österreichers Gregor Schlierenzauer. Im zweiten Versuch musste er den starken Sprung des Norwegers Daniel Andre Tande auf 139 Meter kontern. Mit all seiner Erfahrung flog der Deutsche auf 138 Meter und siegte mit großem Punkte-Vorsprung.

Freund hatte mit keiner "Wunderleistung" gerechnet

Bundestrainer Werner Schuster war ebenfalls vollkommen erstaunt, wie souverän sich Freund präsentierte. „Das war in der Form wirklich nicht zu erwarten. Damit konnte keiner rechnen“, sagte er und betonte, er habe zuvor „nicht tief gestapelt“, als er bei Freund auf Ergebnisse unter den besten 15 Springern gehofft hatte. Vor dem Start in diesen Winter hatten Schuster und der sportliche Leiter Horst Hüttel die Erwartungen an Freund heruntergeschraubt. Zu lang sei die Pause für den besten deutschen Athleten gewesen. Auch Freund selbst hatte betont, in Finnland werde es keine Wunderleistung von ihm geben.

Schuster begründete die Topplatzierungen nun damit, dass seinem Schützling die Schanze in Kuusamo besonders entgegenkomme. Freund liegt die Rukatunturi-Schanze, weil sie sehr groß ist und einer Skiflugschanze gleicht. Dort kann er seine Stärken, den kraftvollen Absprung und die Fliegerqualitäten in der Luft, besonders ausspielen. „Kuusamo bot jedenfalls die Chance für ihn, gut in den Winter zu kommen“, sagte der Österreicher Schuster. „Aber wie er es dann gemacht hat, war herausragend.“

Freund bleibt zurückhaltend

Freund reist nun mit dem Gelben Trikot des Gesamtweltcup-Führenden zu den Springen am nächsten Wochenende in Klingenthal. Und sofort bemühte sich Schuster, die Erwartungen beim Heimpublikum zu dämpfen. „Es wird bei Severin von Schanze zu Schanze hoch und runter gehen“, sagte der 47-Jährige. Auch Freund blieb bei der zurückhaltenden Rhetorik. „Ich würde noch nicht alles auf die Goldwaage legen, was meine Leistung betrifft“, betont er. Und mit dieser Taktik läuft es ja sehr gut für ihn.

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