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Blickrichtung Zukunft. Severin Freund traut der Bundestrainer die größten Sprünge zu.

© dpa

Skispringen: Vierschanzentournee: Am Ende jubeln die anderen

Deutschlands Skispringer fliegen derzeit nur hinterher – jungen wie alten Springern mangelt es an Konstanz. Für die WM bereitet das dem Bundestrainer ein wenig Sorge.

Manchmal muss man sich an die kleinen Dinge halten, vor allem wenn man in diesen Wochen Bundestrainer im Skispringen ist. So hat Werner Schuster während der Vierschanzentournee in der Pädagogischen Hochschule zu Innsbruck verraten, warum die Weltcup-Wettbewerbe trotz fehlender Siege weiterhin angenehme Momente für ihn bereithalten. „Wir haben ja immer die frühen Startnummern“, sagt er, „ich freue mich immer, wenn meine Leute unten sind und führen.“ Das Blöde ist nur, dass zumeist zehn oder fünfzehn weitere Springer folgen und viele die Deutschen überholen.

Bei der Vierschanzentournee ist es ihm häufiger so ergangen. In Michael Uhrmann auf Rang elf und Severin Freund auf Rang zwölf reihten sich seine Springer wieder einmal dort ein, wo sie ihrem Trainer nur kurzzeitig Freude bereiten können. „In der Gesamtwertung war mir klar, dass es schwierig werden würde“, sagte Schuster nach dem schlechtesten Tourneeergebnis seit 19 Jahren. Schusters Analyse: „Momentan ist keiner in der Lage, unter die besten drei zu springen, aber mehrere, unter die besten zehn zu kommen.“ Wer das ist, ist zurzeit bei den deutschen Springern besonders schwer vorherzusagen, denn das einzig Beständige in seinem Team ist die Unbeständigkeit. Die Tournee-Platzierungen von Severin Freund (6, 42, 24, 13), Michael Neumayer (8, 18, 47, 8) oder Richard Freitag (13, 26, 19, 28) drücken das auch aus.

Dafür weisen in dieser Saison schon sechs seiner Springer eine Top-Ten-Platzierung auf, sieben kamen unter die besten 30 der Vierschanzentournee. „Wir müssen uns noch mit der Breite trösten“, sagt Schuster, „es ist einiges in Bewegung, aber die Wellen sind noch relativ groß.“ Seine Mannschaft ist gerade dabei, sich neu zu sortieren und eine andere Hierarchie zu entwickeln, die jungen Springer Severin Freund, Pascal Bodmer und auch Richard Freitag überholen immer öfter die Arrivierten.

„Vom theoretischen Potenzial her, ist Severin Freund definitiv der Springer, der am stärksten ist“, sagt Schuster, „aber er war dem Ganzen nervlich noch nicht gewachsen.“ Auch Bodmer traut der Bundestrainer „in absehbarer Zeit“ regelmäßige Top-Ten-Platzierungen zu. Für die älteren Springer Uhrmann, Neumayer und Schmitt sind die ganz großen Ziele wohl passé. „Es ist schon ein Erfolg, wenn sie unter die besten zehn springen“, sagt Schuster.

Für Martin Schmitt, der nur siebtbester deutscher Springer bei der Tournee war, wird es sogar schwierig, sich für die Nordische Ski-WM zu qualifizieren. Fünf Plätze hat der Bundestrainer dafür zu vergeben, eventuell sechs, aber diesen Platz wird Schmitt sicher nicht erhalten. „Es macht wenig Sinn, einen routinierten Springer als sechsten Mann mitzunehmen“, sagt Schuster, „aber es macht sehr viel Sinn, einen ganz jungen wie Richard Freitag als sechsten Mann mitzunehmen, damit er Erfahrungen für die Zukunft sammelt.“ Der Kampf um die WM-Plätze ist entbrannt, die interne Qualifikationsnorm – zweimal unter die besten sechs oder dreimal unter die besten zwölf – hat noch kein einziger deutscher Springer geschafft. „Es ist gut, dass weiter gekämpft wird“, sagt Schuster. Allerdings gönnt er für das Skifliegen am Wochenende in Harrachov allen eine Pause außer Schmitt und Neumayer.

Für die WM bereitet ihm die fehlende Konstanz auch ein wenig Sorge. „Dann müssen mal vier gleichzeitig in Form sein“, sagt der Bundestrainer, „und dann sollten wir auch wieder konkurrenzfähig sein.“ Nach der Silbermedaille im Mannschaftsspringen bei den Olympischen Spielen von Vancouver peilt er erneut eine Medaille mit dem Team an. Dabei dürften die Österreicher um den neuen Vierschanzentourneesieger Thomas Morgenstern vorausspringen. „Ich sehe uns mit Norwegen und Finnland auf Augenhöhe“, sagt Schuster. Zumal Finnland während der Tournee in Ville Larinto seinen zweitbesten Springer mit einem Kreuzbandriss verloren hat.

Und schließlich lässt sich der Bundestrainer sogar zu einer kühnen Aussage hinreißen. „Ich glaube zu beobachten, dass auch die Österreicher verwundbar sind“, sagt er. Das freilich klingt doch sehr kühn, die Österreicher haben seit 2005 jedes Mannschaftsspringen bei einer WM oder bei Olympischen Spielen gewonnen. Aber irgendwie glaubt man aus diesen Worten auch eine gewisse Sehnsucht zu hören. Die Sehnsucht des Werner Schuster, irgendwann auch mal am Ende jubeln zu dürfen.

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