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Spektakuläre Sprünge in den Himmel: Iouri Podladtchikov will immer das Besondere kreieren.

© Laax

Exklusiv

Snowboard-WM in Sierra Nevada: Iouri Podladtchikov: "Snowboarden bereichert deine Sinne"

Am Donnerstag beginnt die Snowboard-WM in der spanischen Sierra Nevada. Olympiasieger Iouri Podladtchikov erklärt den Reiz der Sportart.

Von Johannes Nedo

Iouri Podladtchikov, was ist für Sie Kunst?

Schwierige Frage. Kunst ist für mich Bereicherung, aber nicht in materieller Hinsicht. Es ist eine Bereicherung für die Sinne.

Was ist am Snowboarden Kunst?

Es bereichert ein paar deiner Sinne, wenn du es so machst, dass es dir gefällt. Aber man muss sehr damit aufpassen, Snowboarden als Kunstform zu bezeichnen. Heutzutage kann ja wirklich alles eine Kunst sein, sogar wie man aus dem Bett fällt.

Wenn Sie porträtiert werden, fällt oft die Beschreibung: Künstler. Gefällt Ihnen das?

Es gefällt mir sehr. Aber ich beschreibe trotzdem Snowboarden nicht gerne als eine Kunstform. Du machst es ja vor allem, weil es dir Spaß macht, und weil es in dir gewisse Gefühle auslöst. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass die eigenen Tricks bei anderen Leuten irgendetwas wecken. Kunst ist schwierig mit Sport in Verbindung zu bringen. Denn Sport ist oft sehr trocken und einseitig. Ich mag auch nicht die Snowboarder, die sich als Künstler bezeichnen. Wenn also einer sagt, seine Fahrt in der Halfpipe sei wie Malerei, dann ist das sehr weit hergeholt.

Ist für Sie das Trockene am Sport, dass es doch eher um Platzierungen geht?

Genau. Am Ende wirst du benotet und es gibt einen ersten, zweiten und dritten Platz. Ohne das funktioniert Sport nicht. Im Sport kämpft man immer um etwas.

Stecken die Snowboarder nicht auch in einem Zwiespalt? Einerseits geht es bei ihnen um mehr, als nur als Schnellster ins Ziel zu kommen wie ein Langläufer, andererseits funktioniert es doch nicht ohne Noten für die Tricks und Platzierungslisten.

Das Interessante am Snowboarden ist: Es gibt sehr viele Athleten, bei denen es sehr spannend ist, ihnen zuzuschauen. Die gewinnen aber nie. Vielleicht assoziieren viele diesen Aspekt auch mit Kunst. Jemand macht so schöne Sachen mit dem Snowboard, die man sich immer wieder anschauen will, obwohl er nicht der klassische Sieger ist. Das ist ein großer Unterschied zu anderen Wintersportarten.

Haben Sie von Anfang an das Schöne und Imposante im Snowboardfahren gesucht?

Plump gesagt, fand ich das Snowboarden am coolsten. Ich habe mit Skateboarden angefangen – und da ist es eine Qual, dann auf Skiern zu stehen. Die Ästhetik des Snowboardens hat mir immer viel mehr gefallen als etwa das Skifahren. Trotzdem war bei mir der Wettkampfgedanke von Anfang an da. Zunächst gegenüber meinem Bruder – und aus diesem „Ich will besser als er sein“, hat sich dann ein „Ich will besser als alle anderen sein“ entwickelt. Das war immer schon in mir drin.

Der Titel Olympiasieger ist also das Nonplusultra für Sie?

Es fühlt sich an wie ein Ergebnis, das dich etwas näher an die Vollkommenheit bringt. Wobei das natürlich ein großes Wort ist.

Was bringt dieser Titel Olympiasieger sonst noch so mit sich?

Dadurch ergeben sich schöne Begegnungen, viel Positives. Mein größter Verlust seit dem Olympiasieg ist aber ein Verlust von Freiheit. Das hätte ich gerne wieder zurück. Schlechte Schritte als Olympiasieger werden noch genauer beobachtet und bleiben noch länger in Erinnerung.

Ist das noch Sport oder schon Kunst? Podladtchikov ist ein Medaillenanwärter bei der am Donnerstag beginnenden Snowboard-WM in der Sierra Nevada (Spanien).Foto: Fife/AFP
Ist das noch Sport oder schon Kunst? Podladtchikov ist ein Medaillenanwärter bei der am Donnerstag beginnenden Snowboard-WM in der Sierra Nevada (Spanien).Foto: Fife/AFP

© picture alliance / dpa

Unter den Snowboardern gibt es viele, die Olympia generell ablehnen und allein auf den freien Geist Ihrer Sportart setzen.

Olympia bringt das Beste aus allen Leuten hervor. Um Olympia kommt man nicht herum – das zu ignorieren ist schade.

Was motiviert Sie nun noch?

Jetzt ist es noch viel schwieriger, erneut Olympiasieger zu werden. Denn die Faktoren, die dich von deinen eigentlichen Aufgaben abhalten, multiplizieren sich, seit ich Olympiasieger bin. Die Möglichkeiten im Hier und Jetzt als Olympiasieger sind unbegrenzt. Und da fängt dann die eigentlich Kunst an. Denn man hat so ein riesiges weißes Blatt Papier vor sich. Und die Fragen sind: Was machst du damit? Konzentrierst du dich nur auf das eine, was du schon immer gut konntest? Oder gibst du etwas davon auf? Und machst etwas, das dich anderweitig bereichert.

Sind Ihnen deshalb Fotografie und Kunstgeschichte so wichtig? Weil Ihnen das Snowboarden dann doch zu eng ist?

Ich hatte die Fotografie und mein Interesse für Kunst schon immer. Die Leute, die mich schon länger kennen, wussten immer, dass nur das Snowboarden mir nicht genug ist. Durch den Olympiasieg wurden alle anderen Sachen, die ich mache, einfach viel interessanter für die Öffentlichkeit. Als ich zum ersten Mal in der Schweizer Tagesschau erwähnt wurde, war es wegen meines ersten Weltmeistertitels. Und als ich dann Olympiasieger wurde, hat die Tagesschau sogar darüber berichtet, dass ich an einer Fotoausstellung beteiligt war.

Wie gewichten Sie zwischen all ihren Leidenschaften?

Für mich ist es jetzt noch viel wichtiger, Prioritäten zu setzen. Für mich ist es das Wichtigste, meinen Körper in die Wunschform zu bringen, um meine Wunschläufe auf dem Snowboard realisieren zu können.

Verändern sich Ihre Wunschläufe?

Ja, und ich kann es gar nicht glauben, dass sich vieles davon schon erfüllt hat. Ähnlich ist es mit der Fotografie. Da habe ich vor vielen Jahren, als ich in New York war, auch davon geträumt, meine Fotos mal in einer der bekannten Galerien auszustellen. Dass dies mittlerweile auch für mich möglich ist, hätte ich nie gedacht. Wenn die eigenen Fotos in einer New Yorker Galerie hängen, ist es, als habe man es zu Olympia geschafft. Aber in der Fotografie bin ich erst ganz am Anfang, da werde ich mindestens noch 15 Jahre brauchen, um dort zu sein, wo ich hinkommen möchte.

Haben Sie in der Fotografie eigentlich den Stempel Snowboard-Olympiasieger?

Meine Plattform ist größer. Aber die Schicht der Topfotografen, zu denen ich gehören möchte, ist von meiner Arbeit noch nicht begeistert. Um das zu erreichen, werden ich so hart arbeiten müssen wie beim Training im Fitnessraum.

Warum?

Die Arbeit als Fotograf erfordert höchste Agilität, Präzisionsarbeit und Fleiß. Und das ist auch die Parallele zum Snowboarden. Die Kamera ist ein Werkzeug, wie das Snowboard. Fashion-Fotografie fasziniert mich dabei am meisten. Es ist künstlerischer, denn da kann man mehr dirigieren und mehr Einfluss auf das Bild nehmen als bei einer Foto-Reportage. Auch das ist vergleichbar mit einer Fahrt auf dem Snowboard durch die Halfpipe. Man ist einfach selbst verantwortlich.

Wonach streben Sie?

Mein ultimatives Ziel ist es, Dinge zu kreieren, die uns überleben.

Welche Träume haben Sie sonst noch?

2018 wieder Olympiasieger zu werden. Als ich 2014 in Sotschi Olympiasieger geworden bin, kam eine halbe Stunde später eine reizende, ältere Frau zu mir und sagte mir von ganzem Herzen: „Ich kann es nicht erwarten, dich in vier Jahren wieder zu sehen!“ Nach der Begegnung war mir klar, ich muss wieder zu Olympia. Das war das größte Kompliment.

Inwiefern?

Viel wichtiger als der Sieg ist, dass die Leute dich vermissen werden, wenn du nicht da bist. Das strebe ich überall an, auch in der Fotografie.

Was ist denn der größte Unterschied zwischen der Sport- und der Kunstwelt?

Im Sport kannst du immer wieder antreten. Aber wenn du in der Fotografie einmal etwas Schlechtes produziert hast, bleibt das immer an dir hängen. Wenn dir etwa das Cover-Foto der „Vogue“ misslingt, will dich niemand mehr.

Iouri Podladtchikov, 28, gewann 2014 in Sotschi Olympiagold in der Halfpipe. Der Schweizer mit russischen Wurzeln ist Profi-Snowboarder, arbeitet aber auch als Fotograf.

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