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Sport: So ein Tag, so wunderschön wie früher

Das Spiel von Steffi Graf und Gabriela Sabatini bringt noch einmal die großen Zeiten des Tennis zurück nach Berlin

Berlin - Wolfgang Hofer versprach sich einen Kuss von Steffi Graf. Der Ehrenpräsident des LTTC Rot-Weiß stand unter einem Baldachin auf dem Centre Court an der Hundekehle und hoffte auf ein Ritual, das sich an diesem Ort vor einigen Jahren öfter abgespielt hat. „Neunmal durfte ich Ihnen einen Blumenstrauß überreichen und mit einem Kuss zum Turniersieg gratulieren“, sagte Hofer. Wenn er sie diesmal küsse, wolle er dem Motto des Tages folgend „Danke Steffi“ sagen. Am Ende seiner Rede stand Steffi Graf auf, nahm freundlich seinen Blumenstrauß entgegen – doch küssen durfte Wolfgang Hofer sie zunächst nicht.

Es ist eben vieles nicht mehr so wie früher. Steffi Graf ist nicht mehr die beste Tennisspielerin der Welt, sondern eine 35-jährige Mutter aus Las Vegas. Gestern griff sie noch einmal zum Tennisschläger und gewann einen Schaukampf in der Max-Schmeling-Halle gegen Gabriela Sabatini 6:1, 7:5. Doch das war nur ein kurzer Blick in die Vergangenheit, ein Retro-Nachmittag für Tennisfreunde. Es passte ins Bild, dass der Sänger Robin Gibb, der mit den Bee Gees seinen letzten Hit in den Achtzigerjahren hatte, vor 6500 Zuschauern den Schaukampf mit seinen Liedern eröffnete. Das Match war wegen der unsicheren Wetterlage in die Max-Schmeling-Halle verlegt worden.

Längst lebt Steffi Graf zurückgezogen mit Andre Agassi und ihren beiden Kindern in den USA. Es ist das Verdienst des Berliner Turnierdirektors Eberhard Wensky, sie anlässlich der Umbenennung des Centre Courts an der Hundekehle in „Steffi-Graf-Stadion“ noch einmal nach Berlin geholt zu haben. Geholfen hat ihm dabei das Versprechen, den Erlös der Veranstaltung ihrer Stiftung „Children of Tomorrow“ zu überlassen, die sich um traumatisierte Kinder kümmert. „Aus diesem Grund bin ich nach Berlin gekommen“, sagte Steffi Graf. Sie schloss weitere Benefizspiele nicht aus – „wenn es für die Stiftung ist“.

Diesmal erwartete sie aber am Morgen bei der Ehrung auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß das, was sie noch nie mochte: ein öffentlicher Auftritt. Als Graf um zehn Uhr in hellbeiger Hose und weißem Pullover aus einem BMW stieg, empfingen sie drängelnde Kameramänner und schubsende Fotografen. „Die ganzen Kameras habe ich nicht allzu sehr vermisst“, sagte sie später. Im Grunewald verfolgte sie zwei Reden und die Enthüllung des Schriftzuges „Steffi-Graf-Stadion“ auf der Haupttribüne – dann hatte sie es überstanden. Nach 53 Minuten stieg sie, bedrängt von Fans und Fotografen, in das wartende Auto. Gesagt hatte sie kein einziges Wort.

Später erklärte sie, dass sie es seltsam fand, dass ein Stadion ihren Namen trägt. „Es ist ein komisches Gefühl. Ich glaube, ich möchte das gar nicht richtig verstehen.“ Wohler fühlte sie sich zweieinhalb Stunden später auf dem Tennisplatz in der Max-Schmeling-Halle. Im Match schien auch ihre alte Klasse wieder auf. „Ich bin vorher wahnsinnig nervös gewesen“, sagte sie, „wir haben ja erst vor sechs Wochen vereinbart, dieses Match durchzuführen.“ Nach ihrem Rücktritt habe sie nicht mehr viel gespielt, doch zuletzt bereitete sie sich mit zwei bis drei Übungseinheiten pro Woche vor.

Spätestens, als sie mit einer Hand vor dem Aufschlag ihren Pferdeschwanz zurechtzupfte, ertappte man sich bei dem Gedanken, dass man das alles schon einmal gesehen hatte. Die knallharte Vorhand, den konzentrierten Blick, den ehrgeizigen Willen. Gabriela Sabatini machte ihr das größte Kompliment. „Ich denke, sie ist wieder soweit, um ein Comeback bei der Tour zu geben.“ Das aber verneinte Steffi Graf. „Ich hatte vergessen, unter wie viel Druck ich mich setze, das brauche ich nicht mehr.“

Gerade noch rechtzeitig hat der LTTC Rot-Weiß die Stadionumbenennung in ihrer Anwesenheit über die Bühne gebracht. „Wie Sie wissen, ist das Turnier gefährdet“, sagte der Ehrenpräsident in seiner Rede, und das ist noch stark geschönt. Der Deutsche Tennis-Bund hat das Turnier bereits für 6,7 Millionen Euro nach Katar verkauft. Nun werden die German Open im nächsten Jahr zum ersten und einzigen Mal im „Steffi-Graf-Stadion“ stattfinden. Danach wird es in Berlin eine kleinere Version des Turniers mit weniger Spitzenspielerinnen geben. Da traf es sich gut, dass das Berliner Publikum gestern noch einmal zwei der ehemals weltbesten Spielerinnen zu sehen bekam. Eine Stunde und sieben Minuten lang ließen Steffi Graf und Gabriela Sabatini die Vergangenheit aufleben. Es folgte noch ein kurzes Spaßdoppel – dann holte die Gegenwart die Zuschauer wieder ein.

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