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© ddp

Sport: „So einen Trainer hatte ich noch nie“

Josip Simunic über seinen Wechsel von Berlin nach Hoffenheim und das heutige Duell mit Hertha BSC

Herr Simunic, wenn man Sie hier so beobachtet, möchte man meinen, Sie haben in Hoffenheim Ihr Glück gefunden.

Das kann man so sehen. Mir geht es wirklich hervorragend. Schauen Sie doch mal in die Landschaft, wie idyllisch und ruhig es hier ist. Und dann die ganzen netten Leute. Die muss man einfach mögen. Außerdem haben wir eine tolle Truppe mit richtig guten und anständigen Jungs.

Der Schritt aus der Metropole Berlin in das verschlafene Kraichgau-Dörfchen muss ein Kulturschock für Sie gewesen sein.

Nein, eigentlich nicht. Ich wohne in Heidelberg. Das ist eine wunderschöne Stadt mit vielen Möglichkeiten. Es gibt schöne Restaurants, kulturell wird einiges geboten. Und der Neckar liegt einfach zu hübsch. Die Stadt hat wirklich Flair. Aber anfangs ist mir schon aufgefallen, dass hier alles etwas langsamer passiert. Aber ich mag es ruhiger.

Berlin fehlt Ihnen also nicht?

Es gibt ein paar Leute, die ich gerne hier hätte. Aber die Möglichkeiten auszugehen, fehlen mir nicht. Als ich jünger war, habe ich das häufiger genutzt, aber mittlerweile brauche ich das nicht mehr.

Ist es in so einer ruhigen Umgebung leichter, Top-Leistungen zu bringen als in einer Stadt wie Berlin, die voller Ablenkungsmöglichkeiten steckt?

Also die unaufgeregte Atmosphäre hier in der Region schadet der Leistung sicherlich nicht. Daraus kann man schon eine gewisse Gelassenheit für die stressigen Spiele ziehen.

Auf den ersten Blick erschien der Wechsel von Hertha nach Hoffenheim ja wie ein Rückschritt. Hertha spielt immerhin in der Europa League. Hatten Sie nie Zweifel, einen Fehler gemacht zu haben?

Nein, zu keiner Sekunde. Ich war schon beim ersten Gespräch mit Manager Jan Schindelmeiser und Trainer Ralf Rangnick überzeugt: Nach Hoffenheim, da will ich hin. Das ganze Konzept hat Hand und Fuß, es ist etwas Besonderes. Ich will unbedingt mithelfen, hier als Führungsspieler etwas aufzubauen. Das Potenzial ist riesig, vor allem weil es so viele junge und entwicklungsfähige Spieler gibt.

Auch beim eher mäßigen Saisonstart Ihres Teams kamen Sie nicht ins Grübeln?

Der Start war von den Ergebnissen zwar nicht so gut. Wir hatten mit Bayern, Leverkusen und Schalke aber auch dicke Brocken im Weg liegen. Ein bisschen weniger Pech und wir kommen besser in die Saison. Aber jetzt läuft es ja. Auch wenn wir noch nicht bei 100 Prozent sind.

Wo steht Hoffenheim leistungsmäßig denn derzeit?

In Prozent kann ich das nicht sagen. Aber wir schaffen es noch nicht, 90 Minuten auf höchstem Niveau zu spielen. Bisher haben wir immer nur maximal 60 starke Minuten. Das muss besser werden.

Und dann ist auch der Meistertitel drin?

Ach nein, wir haben bewusst noch kein Saisonziel ausgegeben. Da werden wir uns nach dem 10. oder 11. Spieltag mal zusammensetzen und schauen, was diese Saison möglich ist. Ich bin aber sicher, dass wir irgendwann international dabei sind. Ich will so schnell wie möglich in so einen Wettbewerb.

Ihr Trainer Ralf Rangnick denkt bestimmt auch bereits an Europa. Er ist sehr erfolgshungrig. Was schätzen Sie an ihm?

Er ist wirklich wahnsinnig ehrgeizig. Er denkt 24 Stunden daran, wie er die Mannschaft und jeden einzelnen von uns besser machen kann. Er geht mit einer unglaublichen Akribie an die Arbeit und schaut wirklich auf jedes Detail. Das ist einzigartig. Aber genau das macht es aus. Ich glaube, der Unterschied zwischen den Spitzenteams und den letzten Mannschaften in der Tabelle ist nicht so groß. Da entscheiden genau diese winzig kleinen Details.

Herthas Trainer Lucien Favre sagt man diese Akribie auch nach. Kann man die beiden vergleichen?

Ich will die beiden nicht vergleichen und vor allem nicht über Hertha reden. Ich kann nur sagen, dass ich so einen Vereinstrainer wie Ralf Rangnick noch nie hatte. Und ich bin ja schon ein paar Jahre dabei. Er hat sehr viel Erfahrung, er hat viele Mannschaften in der Bundesliga trainiert. Ich habe in den letzten zwei Monaten viel gelernt. Das sagt eigentlich alles.

Sie wollen nicht über Hertha reden, aber mit Verlaub, das müssen wir. Schließlich treffen Sie am Sonntag auf Ihren Ex-Klub. Ist das ein besonderes Spiel?

Nein, es ist nur ein Bundesligaspiel. Irgendwann musste das Duell ja kommen. Mir geht es nur noch um Hoffenheim und den Ausbau unserer guten Tabellenposition.

Günstiger könnte die Konstellation eigentlich nicht sein. Hertha steckt mitten in einer großen Krise.

Wer glaubt, das würde ein leichtes Spiel, der ist auf dem Holzweg. Das wird ein brutal schweres Spiel, weil Hertha durchaus Qualität hat. Man darf sie absolut nicht unterschätzen.

In der vergangenen Saison hat Hoffenheim nur gegen Hertha kein Tor erzielt. Das muss die Kollegen doch wurmen?

Oh, das wusste ich gar nicht. Das werde ich den Jungs gleich mal erzählen. Das sorgt bestimmt für Extra-Motivation.

Und Sie waren der Garant für die Hertha-Null, das dürfte die Offensivspieler beruhigen.

Ach nein, dass wir bei Hertha letztes Jahr hinten so gut standen, hatte mehrere Gründe.

Aber jetzt halten Sie bei Hoffenheim den Laden dicht. Schlaflose Nächte dürften Ihnen Artur Wichniarek und Co. nicht bereiten.

Ich habe das Spiel gegen Freiburg gesehen. Das war kein leichtes Spiel für die Angreifer. Nach dem Spiel gegen uns dürfen sie auch wieder treffen und punkten. In unserem Duell aber nicht. Obwohl, wenn wir 5:4 gewinnen, ist das auch in Ordnung.

Tut Ihnen das eigentlich weh, wenn Sie so ein desolates Spiel ihrer Ex-Kollegen wie gegen Freiburg sehen?

Klar ist das nicht schön, und es tut mir auch weh. Aber der sehr lehrreiche und schöne Lebensabschnitt bei Hertha BSC ist beendet.

Das gilt auch für Dieter Hoeneß, zu dem Sie immer einen guten Draht hatten. Wie haben Sie seine Ablösung erlebt?

Dieter Hoeneß hat für Hertha eine Menge geleistet, ich bin mit ihm immer gut klargekommen. Auch wenn das Ende seiner Ära nicht gerade schön war, glaube ich dennoch, dass er unter der momentanen Situation bei Hertha leidet.

Das Gespräch führte Jörg Runde.

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