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Sport: So weit die Füße tragen

Drei Jahre nach ihrem Rücktritt kehrt Martina Hingis auf den Tennisplatz zurück

Bis jetzt weiß Martina Hingis eigentlich nur, dass sie nichts weiß. Auch auf intensives Nachfragen antwortete sie immer wieder: „Mal sehen, wie es läuft.“ Was soll sie auch sonst sagen? Kurz vor ihrem Comeback nach dreijähriger Wettkampfpause ist sie genauso gespannt wie ihr Umfeld und die Tennisfans in aller Welt. Mit Mittelmäßigkeit will sich die ehemalige Weltranglistenerste allerdings nicht zufrieden geben. „Mein Ziel ist es, auf höchstem Niveau konkurrenzfähig zu sein“, sagte sie an Australiens Gold Coast, wo sie in der ersten Runde des WTA-Turniers an diesem Montag auf Maria Vento-Kabchi aus Venezuela trifft.

Weil die Schweizerin Patty Schnyder an Nummer eins gesetzt ist, durfte sie die Auslosung vornehmen, aber alle Aufmerksamkeit gilt Martina Hingis. Allein sechs Kamerateams verfolgten ihren einzigen Auftritt vor der Presse. Noch scheint die fünfmalige Grand-Slam-Siegerin recht entspannt. Daran änderte auch ihr Training mit der 17 Jahre alten Französin Tatiana Golovin nichts, obwohl Hingis nur selten ihr altes Können aufblitzen ließ und sich zahlreiche Fehler leistete.

„Ich fühle mich gesund“, war die wohl wichtigste Erkenntnis von Hingis, die wegen chronischer Fußverletzungen im Alter von nur 22 Jahren ihre Karriere beenden musste, bevor sie sich vor kurzer Zeit zu einem offiziellen Comeback entschloss. Weder sie selbst noch ihre Ärzte können prophezeien, wie weit sie die Füße tragen werden. Und eines ist Hingis klar, sie muss besser sein als zum Zeitpunkt ihres erzwungenen Abschieds, um wieder in der Weltspitze mithalten zu können. „Das Damentennis ist schneller geworden. Ich habe nie einen Aufschlag gebraucht, jetzt muss ich härter und akkurater servieren.“

In der Zeit ohne Spitzentennis habe sie den Wettkampf vermisst, aber nicht das Rampenlicht und das viele Reisen. Vom „richtigen Leben“, das sie erfahren habe, sprach Hingis. Sie hat die Zeit vornehmlich mit ihren geliebten Pferden verbracht, als Ko-Kommentatorin fürs Fernsehen und damit, „einen Haushalt zu haben“. Außerdem habe ihr die lange Pause geholfen, sich als Mensch zu entwickeln. Ihr Manager Mario Widmer, der auch Lebensgefährte ihrer Trainerin und Mutter Melanie Molitor ist, hat zumindest schon einen Unterschied ausgemacht: „Als Martina aufgehört hat, war sie ja noch ein halbes Kind, jetzt ist sie eine junge Frau.“

Die Motivation für das Comeback sei vielschichtig, erklärte die bisher jüngste Weltranglistenerste der Tennisgeschichte. Mannschaftstennis in den USA zu spielen, habe ihren Hunger genauso wieder geweckt wie die Arbeit für das Fernsehen und die Tatsache, dass ältere Spielerinnen wie Mary Pierce und die derzeitige Weltranglistenerste Lindsay Davenport im abgelaufenen Jahr so hervorragende Ergebnisse erzielen konnten.

Hingis hatte im vergangenen Jahr einen ersten kleinen Versuch gewagt. Bei ihrem ersten offiziellen Match seit Filderstadt 2002 hatte sie in Pattaya (Thailand) gegen die Deutsche Marlene Weingärtner verloren. Von einem richtigen Comeback war damals allerdings noch keine Rede. Das Turnier fand im Rahmen einer Wohltätigkeitsveranstaltung statt. Erst vor einem Monat gab Hingis in der Schweiz ihren Plan zur Rückkehr auf die Tennistour bekannt. Bisher hat sie sich festgelegt, an der Gold Coast, in Sydney, bei den Australian Open und in Tokio zu spielen, erst danach könne sie weitere Entscheidungen treffen. Beim Turnier an der Gold Coast, dem Touristenort an der australischen Ostküste, hat sie es mit einer Gegnerin zu tun, die Hingis immerhin schon aus ihrer ersten Karriere kennt. Gegen die 31 Jahre alte Vento-Kabchi hat sie 2001 in Doha in zwei Sätzen gewonnen, als sie noch Weltranglistenerste und noch nicht von Power-Spielerinnen wie den amerikanischen Williams-Schwestern überholt worden war. Schon bald werden Martina Hingis und die gesamte Tenniswelt wissen, ob sie die Zeit zurückdrehen kann.

Alexander Hofmann[Gold Coast]

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