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Sport: Sonnig, bunt, felsig

800 Millionen Euro hat Portugal in seine zehn EM-Stadien investiert. Eine Reise von Braga nach Faro

Ernie Walker hat gesagt: „Portugals Spieler werden es schwer haben, die Qualität der Arenen zu übertreffen.“ Das ist ein schönes Lob, denn Walker hat als Inspekteur des europäischen Fußball-Verbandes Uefa die Bauarbeiten in den EM-Stadien kontrolliert. 800 Millionen Euro hat Portugal für die zehn Arenen investiert, in acht Neubauten und zwei Totalrenovierungen. Jetzt sind die Baukräne endlich verschwunden. Der Anpfiff zur Fußball-EM 2004 naht – in acht Städten und zehn Stadien.

DAS ABGEHOBENE

Wie ein Thron über der Stadt liegt das Estadio do Dragão in Porto auf einem Hügel. Die Heimat des Champions-League-Siegers FC Porto wird ein halbes Jahr nach der Eröffnung als eines der schönsten Stadien Europas gefeiert. Die Dachträger sind weiß, die Sitzschalen dunkelblau, dazwischen ist viel Glas. Das transparente und kühn geschwungene Dach (Spitzname: „Schleier“) wurde aus 280 Tonnen Stahl gebaut. Doch nicht nur Fußball spielt im Stadion des Drachens eine Rolle, zum Komplex gehören ein Shopping-Center, eine Mehrzweckanlage und Wohnungen, fast alles finanziert vom reichen FC Porto, der sein unmittelbar nebenan gelegenes Stadion abreißen ließ. Neben den Mietern dürfen 52 000 Fans ins Estadio do Dragão, in dem Deutschland am 15. Juni gegen die Niederlande spielt. Hier findet am Samstag das Eröffnungsspiel zwischen Portugal und Griechenland statt. Dann werden die portugiesischen Fans den Hügel hinauflaufen, hinauf zum Thron.

DAS SONNIGE

Auf der Tribüne haben die Bauarbeiter rote Sitzschalen angeschraubt. Die 65 000 Zuschauer im Estádio da Luz von Lissabon sitzen auf den steilen, eng am Spielfeld liegenden Tribünen zwar unter einem Dach, doch dessen Stahlkonstruktion befindet sich so hoch in der Luft, dass die Sonne immer ihren Weg ins Stadion des Lichts findet. Hier, im Stadion des Traditionsvereins Benfica, findet am 4. Juli das Endspiel statt. Dieses Ereignis hat sich der Staat einiges kosten lassen. Mit 120 Millionen Euro ist die Arena im Nordwesten Lissabons die teuerste des Landes. Eigentlich sollte das Stadion nur renoviert werden und wurde dann doch, einer Laune folgend, zugunsten eines Neubaus abgerissen. Vom Charme des alten Stadions, das einmal das größte Europas war, sind nur die roten Sitzschalen geblieben.

DAS BUNTE

Vor knapp einem Jahr weihte Benficas Lokalrivale Sporting Lissabon sein neues Stadion mit einem Freundschaftsspiel gegen Manchester United ein. 51 000 Fans feierten im Estadio Jose de Alvalade. Hier, nicht weit entfernt vom Estadio da Luz, bestreitet die deutsche Mannschaft ihr letztes Vorrundenspiel gegen Tschechien. Merkwürdig sehen die Sitzschalen aus. Es gibt rote, gelbe, schwarze und blaue. Die Inspektoren der Uefa waren so begeistert, dass sie dem Stadion die Höchstzahl von fünf Punkten gaben und gleich noch das Uefa-Cup-Finale 2005 nach Lissabon vergaben.

DAS GRAUE

Das Estádio do Bessa ist mit dem Wort zweckmäßig recht liebevoll beschrieben. Die Rückseite der Tribüne ist eine lange, graue Betonwand. Fünf Jahre lang dauerten die Bauarbeiten im Stadion von Boavista Porto , Hertha BSC trat vor eineinhalb Jahren auf einer Baustelle zum Uefa-Cup-Spiel an. Deutschland gastiert hier am 19. Juni zum Gruppenspiel gegen Lettland. Die Deutschen hätten gern woanders gespielt, denn das Stadion bietet gerade 30 000 Zuschauern Platz.

DAS FELSIGE

Im hohen Norden Portugals, in der Stadt Braga , steht das skurrilste Stadion der Fußball-EM: Das Estadio Municipal, das der Architekt Souto Moura für 30 000 Zuschauer in einen alten Granitsteinbruch gebaut hat. Ein Jahr lang haben die Sprengmeister den Granit abgetragen, bis Platz für die mächtige Tribüne war. Es gibt nur zwei steile Tribünen an den Seitenlinien, hinter den Toren ragen große, graue Felsen auf. Auf einem steht die Anzeigetafel. Das Stadion liegt auf einem der höchsten Punkte der Stadt mit herrlichem Ausblick. In Braga finden nur zwei EM-Spiele statt, dann kehrt wieder Ruhe in die 150 000 Einwohner zählende Stadt ein.

DAS DUNKLE

Die Stadt Coimbra liegt zwischen Lissabon und Porto im Landesinneren. Neben den vielen Studenten werden in den kommenden Wochen die Fußballfans die Altstadt beleben. Dass die Stadt etwas Besonderes sein muss, zeigt schon der Gast zur Eröffnungsfeier des Stadions: Im vergangenen Jahr gaben die Rolling Stones in Coimbra ein Konzert. Unter den Fußballfans ist das Estadio Cidade nicht sehr beliebt. Es ist das einzige EM-Stadion mit Laufbahn. Die Tribünen mit ihren 30 000 Plätzen sind viele Meter vom Spielfeld entfernt und sehr flach, unter dem Dach ist es dunkel. Egal, in Coimbra finden nur zwei Spiele statt.

DAS ABGELEGENE

Die Tribünen wirken mit den schwarzen, weißen und blauen Sitzschalen auf den ersten Blick wie ein Testbild im Fernsehen. In Aveiro , einer Kleinstadt südlich von Porto, finden zwei Spiele statt. Auch das Estádio Municipal fasst nur 30 000 Fans. Das dürfte zu wenig sein für die Niederländer, die dort ihr letztes Vorrundenspiel gegen Lettland bestreiten. Das Stadion liegt in einem Sportpark, zu dem ein Golfplatz, ein Erholungszentrum, ein Schwimmbad und sechs Hotels gehören. Das große Angebot für die Fans hat einen Grund – das Stadion befindet sich viele Kilometer vor der Stadt.

DAS PROVISORISCHE

Leiria hat 100 000 Einwohner und liegt abgeschieden in der Provinz nördlich von Lissabon. Die Kroaten und Schweizer spielen hier, die Fans müssen sich dann nach dem Stadion mit dem komplizierten Namen Estadio Municipal Dr. Magalhaes Pessoa erkundigen. Es fasst 30 000 Fans und liegt am Ufer des Rio Lis. Die letzten Gehwegplatten wurden hier am Tag des Eröffnungsspiels verlegt. Eigentlich ist es ein Leichtathletik-Stadion, doch für die EM wurde in einer Kurve eine Zusatztribüne errichtet, die nun bis an den Rasen heranreicht.

DAS TRADITIONELLE

In Guimarães treten die Italiener zweimal an, zunächst gegen Dänemark, dann gegen Bulgarien. Das Estadio Alfonso D. Henriques mit 30 000 Sitzplätzen ist renoviert und schön schlicht. Auf den Tribünen ergeben graue Sitzschalen Wappen und Fahnen. Das Stadion liegt im Zentrum der als Geburtsort der Nation bekannten Stadt.

DAS SÜDLICHSTE

An der Algarve werden die deutschen Spieler schlafen, aber nicht spielen. Das Gefühl kennen die Einwohner von Faro , deren Klub nur in der zweiten portugiesischen Liga spielt. Das Estadio Algarve wurde als letztes aller zehn EM-Stadien fertig gestellt. Nach der EM werden Nord- und Südtribüne zu Gunsten einer Tartanbahn entfernt. Fußball wird dann wieder am Strand gespielt.

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