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Kolodjaschny

© dpa

Sotschi: Wie Russland Olympia 2014 retten will

In fünf Jahren finden die Winterspiele in Sotschi statt - bei den Vorbereitungen hinkt Moskau aber schon heute hinterher. Nun musste Sotschis Bürgermeister zurücktreten, weil es ihm nicht gelingt, die benötigten Grundstücke zusammenzukaufen. Zudem laufen die Kosten aus dem Ruder.

Als Russlands Olympia-Chef für die Winterspiele 2014 in Sotschi, Semjon Wainschtok, im April zurücktrat, hielten Medien in Moskau das für die vernünftigste Entscheidung seiner sechsmonatigen Amtszeit. "Wainschtok ist rechtzeitig abgesprungen, da er offenbar begriffen hat, dass das Projekt schwer zu realisieren ist", schrieb die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" über den Rückzug des Managers. Neben organisatorischen Mängeln in der Kurstadt am Schwarzen Meer bedroht nun auch die weltweite Finanzkrise Russlands Prestigeobjekt des Jahrhunderts. Eingeplante Milliarden der Oligarchen, die derzeit ihrerseits den Kreml um Finanzspritzen bitten, drohen auszubleiben.

Wainschtoks Nachfolger, Viktor Kolodjaschny, verspricht trotzdem "die grandiosesten Spiele aller Zeiten". Experten bezweifeln aber, ob ihm gelingt, was sein Vorgänger nicht schaffte. Fünfeinhalb Jahre vor der geplanten Entzündung des olympischen Feuers am 7. Februar 2014 sind in Sotschi erst etwa 20 der rund 250 vorgesehenen Projekte in Arbeit. Als Kolodjaschnys Staatsagentur Olimpstroi im August Aufträge für Eis-Arenen und Hotels in Sotschi international ausschrieb, meldete sich kein einziger Bewerber. Nach Einschätzung der Zeitung "Wedomosti" ist vielen Firmen der Rückfluss ihrer Investition schlicht zu unsicher. Nun muss der Staat als Finanzier einspringen.

Kosten laufen aus dem Ruder

Haushaltsexperten in Moskau fürchten, die Spiele würden Russland am Ende - nicht wie bisher angenommen - rund 9,26 Milliarden Euro, sondern das Dreifache kosten. "Das endgültige Budget legen wir im Frühjahr 2009 vor", versprach der für Sotschi zuständige Vize-Regierungschef Dmitri Kosak unlängst. Der 49-Jährige ist Hauptfigur einer Personal-Rochade, mit der die Führung in Moskau eine drohende Blamage abwenden möchte. Kosak sei Mitte Oktober hastig vom Regional- zum "Olympia-Minister" befördert worden, da Regierungschef Wladimir Putin über die schleppende Vorbereitung besorgt sei, schrieb die Zeitung "The Moscow Times". Der frühere Kremlchef ziehe "die Notbremse".

Nun musste auch Sotschis Bürgermeister Wladimir Afanassenkow nach nur vier Monaten im Amt wegen Grundstücksproblemen seinen Hut nehmen. Rund 4300 Hektar benötigt der Staat in der Region für den Bau von Sportstätten, davon befinden sich aber noch etwa 800 Hektar in Privatbesitz. Nach Ansicht der Zeitung "Kommersant" traute die russische Führung Afanassenkow nicht zu, den seit Monaten tobenden Streit um Entschädigungen für Grundstücksbesitzer zu beenden. Außer bereits eingereichten Klagen von Hausbesitzern gegen Enteignungen drohen dem Staat zähe Verhandlungen mit Umweltschützern. Sie werfen den Olympia-Machern die Zerstörung eines Naturschutzgebiets vor.

IOC besorgt

Längst sind Sotschis Probleme zum Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gedrungen. "Auf den Hotel-Bauplänen ist zwar jeder geplante Lichtschalter eingezeichnet, aber noch fehlt jede Straße dorthin", kritisierte vor kurzem IOC-Mitglied Gianfranco Kasper. Der Präsident des Internationalen Skiverbandes warnte Moskau: "Die Zeit wird knapp". Die Chefökonomin des Investmentunternehmens Renaissance Capital in Moskau, Jelena Scharipowa, fürchtet bereits Schlimmes: Sollte Sotschi die Probleme nicht bald in den Griff bekommen, stünde die in der Olympia-Ausscheidung knapp unterlegene südkoreanische Stadt Pyeongchang zur Austragung der Spiele bereit.

Wolfgang Jung[dpa]

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