Späte Meisterschaft: Viktoria ist besser als Hertha

Das Abendprogramm begann mit einem Missgeschick. Der Pokal, der eigens für diese nachgeholte Meisterschaft gestiftet wurde, zerbarst in mehrere Einzelteile. „Kein Problem, wir kleben den später wieder zusammen“, sagte Manuel Hartmann, Trainer vom BFC Viktoria Berlin. Seine Spieler verzichteten zunächst auf Reparaturarbeiten und brachen mit den Pokal-Überresten zur Ehrenrunde auf. Sie hatten ja auch lange genug auf diesen Erfolg warten müssen.

Am Wochenende gewannen die Berliner mit 113-jähriger Verspätung das Endspiel um die erste deutsche Fußball-Meisterschaft. 1894 hatte der 1. Hanauer FC 93 das Finale aus finanziellen Gründen platzen lassen und den Titel an Viktoria verloren, nun ist es in zwei Spielen nachgeholt worden. Nach dem 1:1 im Rückspiel im Tempelhofer Friedrich-Ebert-Stadion und dem 3:0 gegen den Bezirksligisten aus Hessen vor einer Woche gelegt bestätigte Viktoria den Titelgewinn. „Beide Partien waren die beste Werbung für den Amateur-Fußball“, sagte Viktorias Trainer Manuel Hartmann.

Dabei kam Viktoria nur schwer ins Spiel und konnte dem Favoritenstatus in der ersten Halbzeit nicht gerecht werden. So musste der Torwart der Berliner den Ball kurz nach der Halbzeitpause aus dem eigenen Netz holen. Die Führung der Hessen war das konsequente Ergebnis eines mutigen Sturmlaufs. „Hätten wir in dieser Phase ein Tor mehr erzielt, dann wäre vielleicht mehr drin gewesen“, sagte Hanaus Trainer Uwe Neuendorf enttäuscht. In der 63. Minute fiel der Ausgleich – die Meisterschaftsträume der Hanauer zerstoben endgültig. Und plötzlich tönte es von den Rängen: „Deutscher Meister wird nur der BFC!“

Die Fans feierten sich selbst und ihre Mannschaft und hatten, während das Spiel keine weiteren Höhepunkte lieferte, sogar genug Zeit, um den großen Stadtrrivalen zu verspotten. Es werde wohl der letzte Berliner Meistertitel für die nächsten 100 Jahre sein, sagte ein Fan, „wir sind besser als Hertha!“ Anschließend feierten auch die zahlreich angereisten Gästefans mit, immerhin durften sie sich am Ende Vizemeister nennen.

Offiziell bleibt allerdings die 1903er Mannschaft des VfB Leipzig erster deutscher Fußball-Meister des Deutschen Fußball-Bundes, der erst im Jahr 1900 gegründet wurde. DFB-Präsident Theo Zwanziger übernahm trotzdem die Schirmherrschaft für das Retrospiel und fand es „eine sehr schöne Idee beider Vereine, den moralischen Sieger des ausgefallenen Endspiels nach so langer Zeit auszuspielen“.

Im nächsten Jahr will Viktoria auch das Meisterschaftsfinale aus dem Jahr 1908 gegen die Stuttgarter Kickers wiederholen, das sie damals 3:1 gewannen. Sollten die Berliner erneut gewinnen, können die Spieler auch üben, wie man einen Pokal heil lässt.

Paul Linke