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Sport: Spätvorstellung im Geisterhaus

Künftig pilgern Münchens Fußballfans in die neue Allianz-Arena – das alte Olympiastadion will den Verlust mit Filmen, Opern und Weinfesten wettmachen

Berlin - Heute Abend geht wieder mal das Licht aus. Auf der 800 Quadratmeter großen Leinwand wird dann die „Rocky Horror Picture Show“ zu sehen sein, ein Film über ein skurriles Geisterhaus. Ein paar Tausend Zuschauer werden sich zusammenfinden, um – wie schon in den vergangenen Tagen – eine Kulisse der besonderen Art zu bilden. Zum vorerst letzten Mal gastiert ein Freilichtkino im Münchner Olympiastadion. Fußball gibt es hier nicht mehr zu sehen.

Für Klaus Cyron ist das erst der Anfang. Der Chef der Agentur „S & K Marketing“ plant in seinem Büro in der Nähe des Englischen Gartens seit Monaten das zweite Leben des Olympiastadions. Am Montag und Dienstag wird die Allianz-Arena am nördlichen Stadtrand eingeweiht, „nun wollen wir die Menschen mit anderen Dingen ins Olympiastadion locken“. Cyron ist sich des Erfolgs sicher. Seine Agentur vermarktet die Veranstaltungen im Olympiastadion.

Jetzt, da der Münchner Sport eine neue Heimat hat, soll das Olympiastadion zur Showbühne werden. Für Juni kündigen die Stadionmanager „die größte Weinprobe der Welt“ an. Mehr als 20 000 Weinreben werden für eine knappe Woche die Tribüne in einen Weinberg verwandeln, auf dem Rasen sollen Buden errichtet werden für Verkostung und Verkauf. Danach sind Opern-Aufführungen geplant, im Winter sollen beim Air&Style-Festival Snowboarder die Tribünen herunterrasen. „Es wird nicht einfach für das alte, schöne Bauwerk“, ahnt Bernd Rauch, einst Bauleiter des Olympiastadions. Heute ist Rauch Stadionchef der Allianz-Arena, und er verspricht, dort nichts außer Fußball zu veranstalten. „Wir müssen dem Olympiastadion noch etwas lassen“, sagt Rauch. „Das kann nicht einfach vermodern.“

Das Aus kam im Oktober 2001, als sich die Münchner in einem Bürgerentscheid für den Stadionneubau und gegen den zunächst geplanten Umbau des Olympiastadions entschieden. Vor allem der FC Bayern und die Organisatoren der Fußball- WM 2006, in Personalunion verkörpert durch Franz Beckenbauer, hatten für den Bau eines reinen Fußballstadions geworben. Beckenbauer wünschte sich damals, dass sich ein Terrorist finde, „der das Olympiastadion in die Luft sprengt“. Und Bayern-Manager Uli Hoeneß verglich die Stimmung im WM-Stadion von 1974 mit der auf Chicagos Zentralfriedhof.

Das weitläufige Areal des Olympiaparks hat Flaneuren schon immer mehr Anreize geboten als Fußballfans, es betört nach wie vor eher die Augen als die Ohren. Auf breiten Wegen laufen Tagesbesucher über Hügel und blicken auf künstliche Seen und die spitzen Ecken der Dachständer vom Stadion. So schräg sind die Glasdächer geneigt, dass sie bei Fußballspielen im Winter oft Probleme bereiteten. „Vorsicht Lawinen-Gefahr“ warnten Schilder, weil manchem Fan Schneemassen in den Nacken fielen. Das imposante Dach erfüllte seinen Sinn nur auf den ersten Blick. Es schützte kaum vor Regen, der Wind trieb die Tropfen auf die Tribünen.

Nun kommen die Fans nicht mehr. 1,7 Millionen Zuschauer jährlich fallen dem Olympiastadion weg. Das sind mehr als vier Millionen Euro Einnahmen, schätzen Experten. Events sollen diesen Verlust wettmachen. Vielleicht wird auch wieder etwas Sport veranstaltet, möglicherweise ein Skilanglauf-Weltcup oder ein Leichtathletik-Meeting. Für Konzerte ist die Open-Air-Arena sicherlich gut geeignet. Aber wie viele Künstler schaffen es, das weite Rund zu füllen?

In Zukunft wird es ein wenig ruhiger werden im Olympiapark. Der Reiz, durch die geschwungenen Landschaften am alten Stadion zu wandern, wird immerhin nicht verloren gehen. Vom Drehrestaurant im Olympiaturm kann man die ganze Stadt bewundern. Von dort aus sieht man auch die Allianz-Arena, die neue Heimat des Münchner Fußballs.

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