zum Hauptinhalt

Sport: Spanien sucht sich selbst

Kurz vor ihrem ersten Spiel gegen Russland übt sich die spanische Nationalmannschaft in Demut. Kein Spieler wagt es, der eigenen Elf eine Favoritenrolle zuzuschreiben.

Kurz vor ihrem ersten Spiel gegen Russland übt sich die spanische Nationalmannschaft in Demut. Kein Spieler wagt es, der eigenen Elf eine Favoritenrolle zuzuschreiben. Und falls es doch jemand tut, stellt Nationaltrainer Inaki Saez klar: „Wir haben noch nie etwas gewonnen.“ Zumindest seit vierzig Jahren nicht mehr.

Die ungewöhnlich vorsichtigen Töne aus Spanien sind eine Reaktion auf die Turbulenzen der vergangenen Wochen und die mittelmäßige Leistung der Mannschaft. Die Qualifikation für die EM hing am seidenen Faden – man musste in die Relegation gegen Norwegen. Die Spieler sind erschöpft von der anstrengenden Liga, allen voran die auch psychisch angegriffenen Fußballer von Real Madrid. Auch für Spielerauswahl und Aufstellung musste Saez Kritik einstecken. Warum Mista vom FC Valencia, immerhin bester spanischer Torschütze in der Liga, nicht in den Kader aufgenommen wurde, verstand kaum jemand. Und dass Saez seinen Trainervertrag nach langem Zögern plötzlich kurz vor der Feuerprobe EM verlängerte, galt der Presse als äußerst unfein.

Der Baske Saez hat einen schweren Stand in Spanien, was weniger an seiner Qualifikation liegen mag als an seinem Auftreten. Saez ist kein Medienmensch. Er verachtet den Starkult im Fußball, schwärmt von alten Zeiten und weigert sich bis heute standhaft, ein Handy zu benutzen. Der impulsive Charme eines José Antonio Camacho, der am Spielfeldrand schnaubte und schwitzte, geht ihm ab.

Saez gibt sich bescheiden und still. Da passt es ins Bild, dass der gläubige Nationaltrainer vor der Reise nach Portugal mit seiner Mannschaft nach Santiago de Compostela pilgerte, um den Heiligen Jakob um „verletzungsfreie, faire Spiele“ zu bitten – nicht um den Pokal. Er hätte auch um etwas mehr Aufmerksamkeit beten können. Denn in Spanien, wo Fußballbegeisterte eher mit den Klubs fiebern, löst die Nationalelf nur lauwarme Gefühle aus.

Zwar verabschiedete Ministerpräsident José Luis Zapatero das Team mit einem nachdrücklichen „Dies ist die Mannschaft aller Spanier“. Aber Katalanen, Basken oder Galizier werden sich wohl niemals für ein und dasselbe Team begeistern können. Katalonien sucht schon nach Schlupflöchern, um eine eigene Nationalmannschaft ins Rennen schicken zu können. „Wir könnten einen ähnlichen Status wie die Färöer haben“, heißt es. Nationaltrainer Saez gibt sich unbeeindruckt: „Bis jetzt ist nichts entschieden. Ich jedenfalls werde mich nur für die Nationalmannschaft einsetzen.“

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false