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Spanien: Wilde Stiere ohne Unterhosen

Spaniens Trainer-Urgestein Aragones lässt gegen die Saudis eine komplett neue Elf auflaufen.

Kaiserslautern - Spaniern sagt man ja nicht gerade mangelndes Selbstbewusstsein nach. Demnach ist Luis Aragones Spanier durch und durch. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland hatte der 67-jährige Trainer seine «Seleccion» auf eine Stufe mit Mannschaften wie Argentinien, England und Deutschland gestellt und als Ziel den Weltmeistertitel ausgegeben.

Das ist allerdings nichts neues. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Elf von der iberischen Halbinsel auf dem Weg zum großen Triumph oftmals sehr früh gescheitert ist. Der letzte und einzige Titel liegt nun schon 42 Jahre zurück. 1964 wurden die «wilden Stiere», wie sie von ihren Anhängern genannt werden, Europameister. Bei Weltmeisterschaften datiert der bisher größte Erfolg, ein Halbfinaleinzug, gar aus dem Jahr 1950. Ansonsten kamen die Spanier nie über ein WM-Viertelfinale hinaus.

Dennoch, in Deutschland präsentierte sich die Elf des Madrilenen Aragones bisher in guter Verfassung. Im Auftaktspiel fegten sie - ihrem Beinamen alle Ehre machend - wie eine «rote Furie» über die Ukraine hinweg. Vier Tore standen am Ende auf der Habenseite. Im zweiten Spiel gegen Tunesien lagen die Spanier mit 0:1 hinten, ehe der Ausgleich durch Raul, der «Seele des spanischen Fußballs», die Wende im Spiel und nach Abpfiff einen 3:1-Sieg sowie den sicheren Einzug ins WM-Achtelfinale brachte.

Es könne gut sein, dass ein komplett anderes Team auf dem Platz stehen werde, hatte der in Spanien nicht unumstrittene Aragones, der dort als jähzornig und unbeherrscht gilt, vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Saudi-Arabien angekündigt. Und Aragones hielt Wort. In Kaiserslautern lief vor 46.000 Zuschauern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion eine komplett neue Mannschaft auf. Santiago Canizares stand mit blond gefärbten Haaren im Tor, in der Abwehr agierten Michel Salgado, Carlos Marchena, Antonio Lopez und Juanito. Das Mittelfeld bestand aus David Albelda, Cesc Fabregas, Iniesta, Joaquin und Jose Antonio Reyes, der Sturm aus Raul. Alle Spieler zusammen hatten bei dieser WM lediglich 210 Minuten auf dem Platz gestanden.

«Es ist nicht entscheidend wer spielt, sondern wie wir spielen. Wir wollen gewinnen», hatte der 67-Jährige spanischen Kritikern entgegnet. «Wir stellen das beste Team auf, das dafür nötig ist», betonte er. Zu Beginn der Partie lief auch alles nach Plan. Die spanische «B-Elf» dominierte das Spiel, kam durch Fabregas, Reyes sowie Raul zur ein oder anderen Chance und durch Juanito auch zum ersten Tor (36. Minute). Der Bann schien gebrochen - aber weit gefehlt. In der zweiten Hälfte spielten nur die «Wüstensöhne» und versuchten Canizares ein ums andere Mal in Schwierigkeiten zu bringen.

Das erkannte auch Aragones nach der Begegnung an: «In der zweiten Hälfte waren wir einfach schlecht.» Saudi-Arabien habe mehr Druck ausgeübt und durchaus auch die Chancen für ein Tor gehabt. «Ein Unentschieden wäre verdient gewesen», sagte er. In der zweiten Hälfte seien seine Spieler einfach nur erschöpft gewesen. Die Hitze habe ihnen zu schaffen gemacht, gab er zur Begründung an. Auf die Frage, ob er denn in der zweiten Hälfte beinahe auf der Trainerbank eingeschlafen wäre, antwortete Spaniens Coach schlagfertig: «Ich habe nicht geschlafen. Denn wenn du einschläfst, verlierst du ganz schnell deine Unterhosen.»

Gegen Saudi-Arabien schienen Aragones' Unterhosen zum Teil schon auf Hüfthöhe, aber letztlich kam sein Team mit einem glücklichen 1:0 davon. «Wir haben heute unglücklicherweise unter unserem Level gespielt», räumte er ein, um zugleich seine Kampfansage zu wiederholen: «Bei dieser WM haben wir einen Traum. Wir wollen jedes Spiel gewinnen.» Vier weitere fehlen noch bis zum ausgerufenen Ziel. (Von Thomas Badtke, ddp)

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