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Sport: Spiel mit der Zeit

Peter Lekos Geduld überrascht Wladimir Kramnik bei der achten Partie der Schach-Weltmeisterschaft

Im Augenblick der schweren Niederlage bewies Schachweltmeister Wladimir Kramnik Größe. „Es ist immer unangenehm zu verlieren. Aber wenn schon, dann lieber auf diese Weise“, sagte der Russe, nachdem er die achte WM-Partie im schweizerischen Brissago gegen seinen Herausforderer Peter Leko aufgegeben hatte. „Es war wirklich eine wunderschöne Partie, sie wird in die Schachgeschichte eingehen.“ Die ersten 25 Züge hatte Kramnik mit den weißen Steinen derart selbstbewusst und zügig abgespult, dass dem länger grübelnden Leko kaum noch Chancen eingeräumt wurden. Der Ungar ließ seine zwei Stunden Bedenkzeit, die ihm für die ersten 40 Züge zur Verfügung standen, bis auf sieben Minuten ablaufen, als er im 25. Zug mit seiner Dame auf das Feld d3 eindrang – und es offenbarte sich, dass Leko am Brett sorgfältiger kalkuliert hatte als Kramniks Team während der Vorbereitung. Der Weltmeister konnte dem Mattangriff nicht mehr entkommen.

Vor der heutigen neunten Partie führt Leko mit 4,5:3,5 Punkten.

Kramnik – Leko (8. WM-Partie) 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0–0 8.c3 (In seinen ersten drei Weißpartien ging Kramnik dem Marshall-Angriff mit 8.h3 aus dem Weg. Diesmal nimmt er die Herausforderung an.) 8...d5 (Dieses nach wie vor populäre Bauernopfer war 1918 vom US-Amerikaner Frank Marshall in die Turnierpraxis eingeführt worden, in einer Partie gegen José Raoul Capablanca, dem späteren dritten Weltmeister der Schachgeschichte. Leko spielt es indes zum ersten Mal in seinem Leben mit Schwarz.) 9.exd5 Sxd5 10.Sxe5 Sxe5 11.Txe5 c6 12.d4 Ld6 13.Te1 Dh4 14.g3 Dh3 15.Te4 (Schwarz schwebt mit ...f5 und späterem ...f4 ein Königsangriff vor, doch er muss zunächst die Drohung 16.Th4 bedienen.) 15...g5 (Dieser riskant anmutende Vorstoß gilt seit einigen Jahren als ein zuverlässiges Mittel. Haben Kramnik und seine Sekundanten etwas Neues entdeckt?) 16.Df1 (Gewöhnlich geschieht hier 16.De2. Kramniks Wahl ist nicht neu, kam für Leko aber überraschend. Der Ungar überlegte nun 50 Minuten über seinen nächsten Zug.) 16...Dh5 17.Sd2 Lf5 18.f3 („Das ist typisch für diese Variante“, meinte Leko später. Schwarz dürfe das Qualitätsopfer nicht annehmen: 18....Lxe4? 19.fxe4, mit weißem Vorteil.) 18...Sf6 19.Te1 Tae8 (Schwarz besitzt für den geopferten Bauern Entwicklungsvorsprung, die weißen Figuren am Damenflügel „schlafen“ noch.) 20.Txe8 Txe8 21.a4 Dg6! (Während Leko für diesen Schlüsselzug seine Bedenkzeit bis auf wenige Minuten ablaufen ließ, antwortete Kramnik nichtsahnend à tempo.) 22.axb5? (Stärker war 22.Se4!, z.B. 22...Sxe4 23.fxe4 Lxe4 24.Lxg5! bxa4! 25.Lc4 – nicht 25.Txa4? Tb8! – 25...Tb8 26.Te1 Ld5 27.Lxd5 cxd5 28.Lc1, mit leichtem weißen Vorteil.) 22...Ld3! (Darauf hatte das Kramnik-Team ein spektakuläres Damenopfer vorbereitet – allerdings eine „Kleinigkeit“ übersehen.) 23.Df2? (Der Verlustzug. Notwendig war die Zugwiederholung 23.Dd1 Le2 24.De1 Ld3 25.Dd1 usw.) 23...Te2! 24.Dxe2 (Nichts änderte z.B. 24.bxa6 Txf2 25..Kxf2 Dh6 26.Kg2 g4 27.fxg4 De3, mit entscheidendem Angriff.) 24...Lxe2 25.bxa6 Dd3!! (Dieses Eindringen der Dame kam für Kramnik offensichtlich überraschend. Er hatte wohl nur mit 25...Lb8? 26.a7 Lxa7 27.Txa7 und weißem Vorteil gerechnet. Doch in Wirklichkeit kann Schwarz den a-Bauern laufen lassen und einen Königsangriff einleiten. Leko: „Nach Dame d3 ist Schwarz in allen Varianten matt.“ Falls nun 26.a7, so gewänne 26...De3+ 27.Kg2 Lxf3+! 28.Sxf3 De2+ 29.Kg1 Sg4! 30.a8D+ Kg7, z.B. 31.Dxc6 Df2+ 32.Kh1 Df1+ 33.Sg1 Sf2 matt.) 26.Kf2 Lxf3 27.Sxf3 Se4+ 28.Ke1 Sxc3! (Der letzte Keulenschlag. Falsch wäre 28...Dxf3? 29.a7 gewesen.) 29.bxc3 Dxc3+ 30.Kf2 Dxa1 31.a7 h6 32.h4 g4 0:1.

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