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Sport: Spiele für das Image

Das olympische Eishockeyturnier der Männer beginnt – Deutschland beansprucht mehr als eine Nebenrolle

Berlin - Heute fangen die Winterspiele richtig an – für viele Menschen in Kanada. Schließlich beginnt das Männerturnier im Eishockey, und diese Sportart hat in Kanada einen Stellenwert wie der Fußball in Südamerika. Fünf große Fernsehsender übertrugen im Dezember live, als die Namen der kanadischen Spieler bekannt gegeben wurden, die in Turin die Goldmedaille für ihr Land verteidigen sollen.

Wayne Gretzky war in keiner der Sendungen zu Gast. Die Mutter des kanadischen Teammanagers war kurz zuvor verstorben. Gretzky teilte aber mit, dass eine ihrer letzten Wünsche nicht in Erfüllung gegangen sei: „Sie hatte sich so auf die Bekanntgabe der Nominierungen gefreut.“ Ein Rührstück, das davon ablenkte, dass die Öffentlichkeit über die Nominierung des in der National Hockey-League (NHL) lange gesperrten Todd Bertuzzi – er hatte einen Gegenspieler übel verletzt – nicht erfreut war. Seit ein paar Tagen muss sich Gretzky nun damit herumschlagen, dass seine Ehefrau, die Schauspielerin Janet Jones, in einem Wettskandal verwickelt ist, für den sein zurückgetretener Kotrainer beim NHL-Klub Phoenix Coyotes verantwortlich sein soll. 500 000 US-Dollar soll Jones bei zwielichtigen Buchmachern platziert haben. Verständlich, dass Gretzky derzeit nicht über sein Privatleben sprechen will. „Es war eine harte Woche für meine Familie“, sagt er. „Jetzt konzentriere ich mich nur auf Olympia.“ Dort zähle schließlich nur die Goldmedaille.

Doch auf den Turniersieg hoffen viele Teams. Der Kreis der Favoriten in Turin umfasst alle Nationen, in denen Eishockey Volkssport ist und von denen daher die meisten Spieler in der NHL ihre Dollar-Millionen verdienen: Neben Kanada sind dies Tschechien, Schweden und die USA. Aussichtsreiche Außenseiter sind zudem Russland, Finnland und die Slowakei. Fehlt noch ein Land, das sich ebenfalls Chancen auf das Viertelfinale ausrechnet: Die Deutschen sind der Meinung, dass sie das schaffen können. „Wir gehören unter die besten acht Teams in der Welt“, sagt Kapitän Stefan Ustorf von den Berliner Eisbären.

Nach dem Abstieg der Nationalmannschaft bei der WM 2005 wäre ein Überstehen der Vorrunde der dringend benötigte Prestigeerfolg. Denn das Interesse an der Auswahl ist nach den Misserfolgen unter Uwe Krupps Vorgänger als Bundestrainer, Greg Poss, gesunken. Bei Olympia 1992 wurde für die Viertelfinalpartie der Deutschen gegen Kanada noch die Tagesschau verschoben. So etwas wird in Turin kaum passieren. Denn sportlich betrachtet spricht wenig für Krupps Team. Nach den Absagen der NHL-Stars Marco Sturm (Boston) und Jochen Hecht (Buffalo) mangelt es bei den Deutschen an Führungspersönlichkeiten. Nun liegt die Verantwortung vor allem bei Torwart Olaf Kölzig und bei Stürmern wie Daniel Kreutzer (Düsseldorf) und Ustorf – Profis eben, die auch in ihren Klubs Hauptrollen spielen.

Heute spielt Deutschland zum Auftakt gegen Tschechien (17 Uhr). Da die meisten Spieler des Weltmeisters erst gestern in Turin eintrafen, weil bis Montag in der NHL noch gespielt wurde, hofft Kölzig auf die geistige Frische seiner Mitspieler. „Wenn es den Tschechen so geht wie mir, als ich am Montag aus Amerika in Turin ankam, werden sie sich nicht so gut fühlen“, sagt der Torwart. Überhaupt geben sich die Deutschen trotzig-optimistisch. „Es macht doch keinen Unterschied, ob wir zuerst gegen Italien oder Tschechien spielen“, sagt Ustorf. „Ein Profi muss jedes Spiel gewinnen wollen.“

Die wichtigen Spiele für die Deutschen kommen aber wohl erst am Samstag gegen Italien und am Sonntag gegen die Schweiz. Diese Gegner müssen sie schlagen, wenn sie ins Viertelfinale wollen. Denn dass Deutschland zum Abschluss der Vorrunde Montag gegen Finnland oder Donnerstag gegen Kanada ein Sieg gelingt, davon ist nicht auszugehen. Sollte derartiges tatsächlich passieren, hätte das deutsche Team in Kanada eine öffentliche Debatte ausgelöst. Denn eine Niederlage gegen Deutschland würden sie dort wohl selbst einem Gretzky kaum verzeihen.

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