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Sport: Spiele mit uns

Fußball ist bislang selten Teil der Entwicklungshilfe – die Vereinten Nationen wollen das ändern

Berlin. Es war nur ein Fußballspiel, aber für Holger Obermann war es eines der schönsten Erlebnisse seines Lebens. Auf einem staubigen Sportplatz zwischen den Ruinen Kabuls traten zwei Schülermannschaften gegeneinander an, um die Jugendmeisterschaft der afghanischen Hauptstadt auszuspielen. 5000 Zuschauer drängten sich um das Spielfeld, auf dem der deutsche Entwicklungshelfer Obermann das Spiel eröffnete. Als das erste Tor fiel, rannten die Fans begeistert auf das Spielfeld, um die Spieler zu küssen und zu umarmen. Weil mit jedem weiteren Treffer das Chaos immer größer wurde, musste das Spiel schließlich abgebrochen werden. Dennoch, Obermann hatte sein Ziel erreicht: „Die Menschen in Kabul hatten wieder ein Stück Lebensfreude.“

Seit einem halben Jahr ist Obermann bereits in Afghanistan. Er leistet dort Entwicklungshilfe der ungewöhnlichen Art – auf dem Fußballplatz. Tag für Tag zieht er durch das immer noch vom Bürgerkrieg gezeichnete Land und versucht, Jugendliche für den Sport zu begeistern, den die Taliban einst verboten hatten. Obermanns Projekt hat bislang 150 000 Euro gekostet, bezahlt von der Bundesregierung und vom Nationalen Olympischen Komitee. Den Ertrag beschreibt der Entwicklungshelfer lieber nicht in finanziellen Kategorien. Er sagt: „Das wichtigste Ergebnis ist, dass wir junge Menschen zusammenbringen und ihnen Spaß am Frieden vermitteln.“ Obermann hat noch viel mehr vor. Im kommenden Jahr soll eine afghanische Nachwuchsmannschaft an den Asienspielen teilnehmen. „Mein Traum ist es, dass wir uns dort für die Jugend-Weltmeisterschaft qualifizieren können.“

Sport und Entwicklungshilfe – bislang wird dieses Thema in der Politik eher unterschätzt. Im Bundesetat stagnieren die Mittel dafür seit langem, im laufenden Jahr sind im Haushalt 2,675 Millionen Euro für die „Förderung internationaler Sportbeziehungen“ vorgesehen, im kommenden Jahr der gleiche Betrag. Die Hilfen stellt das Außenministerium von Joschka Fischer zur Verfügung – offiziell, um die Kulturbeziehungen Deutschlands auszubauen. Neben dem Fußball in Afghanistan werden etwa auch Sportprojekte mit behinderten Kindern in Angola, Laos und Kambodscha unterstützt. Negativ fällt jedoch auf: Im Entwicklungshilfeministerium gibt es keinen Etat für den Sport. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Sport eine größere Rolle bei der Entwicklungshilfe spielt“, fordert der Sportexperte der Grünen, Winfried Hermann. Einen entsprechenden Antrag will die rot-grüne Koalition in den kommenden Wochen beraten.

Auch die Vereinten Nationen (UN) haben Nachholbedarf erkannt. „Der Sport wurde bislang vernachlässigt“, räumte der stellvertretende Generalsekretär der UN, Adolf Ogi, gegenüber dem Sport-Informations-Dienst ein. Heute will Ogi in New York einen Resolutionstext einbringen, in dem erstmals der Sport als Teil der Entwicklungshilfe ausgewiesen wird. Geplant sind zwei Dinge. Erstens: Die UN wollen 2005 das Jahr des Sports ausrufen, um den neuen Entwicklungsschwerpunkt zu betonen. Zweitens: In der UN-Zentrale soll eine Agentur eingerichtet werden, die künftig die Sport-Projekte von Hilfsorganisationen wie Unesco und Unicef koordiniert. Ziel ist es laut Ogi, zwei Prozent der Entwicklungshilfe für Sportprojekte auszugeben.

Die deutsche Regierung hat bereits Zustimmung zu den Plänen in New York signalisiert. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul traf sich kürzlich mit den UN-Entwicklungshelfern in Berlin. Auch Außenminister Fischer hat das Thema erkannt. Bei einem Spitzengespräch mit Sportfunktionären vor wenigen Tagen in Berlin sagte Fischer: „Die internationale Förderung des Sports ist auch ein Beitrag zu zivilgesellschaftlichen Strukturen.“

Sein Parteikollege Hermann drückt es so aus: „Sport ist im Zweifel ein besserer Botschafter der Demokratie als Literatur.“

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