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Mit allen Mitteln. Laut dem Fußballverband Bulgariens wurde versucht, Spiele der bulgarischen U-19-Auswahl bei der EM zu manipulieren. Das Team – hier gegen den späteren Europameister Deutschland – schied mit drei Vorrunden-Niederlagen und 0:5 Toren aus.

© Imago

Spielmanipulation im Fußball: Europa League im Visier der Wettmafia

Gelbe Karten auf Bestellung: Unbeeindruckt von Razzien scheinen Wettbetrüger weiter internationale Fußballspiele zu manipulieren. Besonders die Europa-League-Qualifikation ist immer wieder gefährdet.

Die Fußball-WM in Brasilien ist ohne stichhaltigen Manipulationsverdacht über die Bühne gegangen. Entwarnung ist deswegen aber noch lange nicht angesagt. In Bulgarien ist gerade ein 20-Jähriger wegen Betrugsverdachts verhaftet worden, der Kontakt zu Spielern der U-19-Europameisterschaft gehabt haben soll. Auch der Monitoring-Dienst Federbet meldet immer wieder Unregelmäßigkeiten auf dem Wettmarkt, zuletzt in der Qualifikation zur Europa League. Und Interpol sah sich jüngst zu einer großen Razzia gegen Wettbetrüger genötigt. Die Krake Spielmanipulation hält den Fußball also weiterhin fest in ihren Fangarmen.

Zwei WM-Schiedsrichter unter Verdacht

Fifa-Sicherheitschef Ralf Mutschke durfte zwar nach dem Ende der WM bilanzieren: „Bisher haben wir keine Anhaltspunkte für Manipulationen.“ Auch Mutschkes medialer Gegenspieler, der weiterhin umtriebige Wettbetrüger und zugleich Haupt- und Lieblingskronzeuge aller Ermittler, Wilson Raj Perumal, konstatierte auf Facebook: „Deutschland ist Weltmeister. Glückwunsch. Keine Manipulation.“ Perumal hatte während der WM Aufsehen erregt, weil er in einem Chat mit dem „Spiegel“ angeblich das Ergebnis des Gruppenspiels Kamerun gegen Kroatien richtig vorhergesagt und sogar eine Rote Karte prognostiziert hatte. In der Folge stritten Perumal und der „Spiegel“ aber darum, ob es sich tatsächlich um eine Voraussage handelt, wie das Hamburger Magazin erklärte, oder um eine nachträgliche Plauderei, wie Perumal behauptet.

Aktuell bemüht sich der Singapurer ganz – als sei er der Gütesiegelverteiler für fairen Rasensport – um eine Darstellung der WM als korrekte Veranstaltung. Zweifel bleiben aber erlaubt: Die Londoner „Mail on Sunday“ verwies auf zwei WM-Schiedsrichter, gegen die Verdachtsmomente aus dem laufenden Turnier vorlägen. Vor der WM wurde ein nigerianischer Spielerberater verhaftet, der behauptete, bei der WM für 41 000 Pfund Gelbe Karten organisieren zu können. Er erklärte, bereits zwei Spieler auf seiner Liste zu haben.

Wie ernst Verbände und Polizei das Problem mittlerweile bewerten, zeigt nicht nur diese Verhaftung. Während die deutsche Nationalmannschaft in Brasilien ihre Konkurrenten auseinandernahm, führte Interpol eine Razzia mit dem Namen „Soga V“ mit 1400 Verhaftungen in Südostasien und den USA, der Beschlagnahme von zwölf Millionen US-Dollar Bargeld und dem Unterbinden von meist illegalen Wettoperationen mit einem Volumen von 2,2 Milliarden US-Dollar durch.

Europa-League-Quali gefährdet

Trotz dieses Schlags gegen die Betrugsbranche läuft das Manipulationsgewerbe weiter. In Bulgarien vermeldete das Innenministerium die Verhaftung des 20-jährigen Torwarts Daniel Gyaurov. „Sein Ziel war es, Bulgariens Spiele bei der U-19-Europameisterschaft zu manipulieren“, sagt ein Sprecher des bulgarischen Fußballverbands. Bulgarien verlor alle drei Gruppenspiele, darunter auch das gegen die späteren deutschen Europameister. Kolev bezeichnete den Einfluss Gyaurovs auf das Turnier als „allenfalls psychologischer Natur“. Das bulgarische Team nahm einen Spieler, dem Kontakt mit Gyaurov nachgewiesen wurde, nicht mit zur EM.

Realen Einfluss hat die internationale Wettmafia offenbar auf Spiele der aktuellen Europa-League-Qualifikation. „Wir haben beim 3:0 des FC Aberdeen über FK Daugava Riga 20 Minuten vor dem Spiel und auch während des Spiels Wettbewegungen gesehen, die allen mathematischen Modellen widersprechen“, teilte Francesco Baranca von der Monitoring-Organisation Federbet mit. Auf Barancas Einschätzungen stützte sich in der Vergangenheit sehr stark die Staatsanwaltschaft in Cremona, die die italienischen Wettbetrugstätigkeiten aufdeckte. Und beim 5:0 des slowenischen Vereins FC Luka Koper über den FK Celik Niksic aus Montenegro leistete sich der Keeper des Verliererteams so haarsträubende Fehler, dass der Verdacht auf Manipulation schnell die Runde im Internet machte. Gegen den FK Celik sprechen auch Resultate aus früherer Zeit. 2012 wurde in der Europa-League-Quali Metalurg Donezk zu einem 7:0 und einem 4:2 eingeladen, in der letzten Saison Honved Budapest zu einem 9:0 und einem 4:1. Das erweckt den Eindruck, als sei der frühere montenegrinische Pokalsieger einer jener Vereine, denen die sportliche Performance nicht gar so wichtig ist.

Der einstige Großmanipulator Perumal übrigens protzt aktuell auf seinen Facebook-Seiten mit zahlreichen Wettgewinnscheinen aus der Türkei. Es ist nicht zu entscheiden, ob Fußballsachverstand die Ursache ist oder Expertenwissen in Sachen Manipulation.

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