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Der nächste Skandal? Das deutsche Schiedsrichterwesen muss sich derzeit mit der Steuerfahndung herumschlagen – neben dem DFB bekamen mehrere bekannte Unparteiische ungebetenen Besuch von den Ermittlern. Foto: dpa

© dpa

Steuerhinterziehung: Spitzenschiedsrichter unter Verdacht

Die Steuerfahnder haben 20 Referees im Visier, darunter mehrere bekannte Fifa-Schiedsrichter – der DFB sieht dies als deren Privatsache an

Die Affäre um deutsche Spitzenschiedsrichter, die offenbar Steuern hinterzogen haben, weitet sich aus. Nach Informationen des Tagesspiegels gab es am Montag nicht nur eine Hausdurchsuchung der Steuerfahndung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), sondern auch in den Privathäusern und an Arbeitsplätzen von mehreren Schiedsrichtern vor allem in Süddeutschland. Demnach stehen mehr als 20 Referees im Verdacht, Vergütungen für ihren Einsatz bei Freundschaftsspielen nicht versteuert zu haben. Bei etwa der Hälfte soll es sich um Spitzenschiedsrichter aus dem Profifußball handeln, nach Erkenntnissen aus Ermittlungskreisen auch um mehrere Fifa-Schiedsrichter. Die Namen der Linien- und Schiedsrichter aus der Bundesliga sind dem Tagesspiegel bekannt.

„Ich kann nichts zum Stand der Ermittlungen sagen, da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt“, sagte Fifa- Schiedsrichter Felix Brych „Spiegel Online“. Der 36 Jahre alte Münchner Jurist dementierte damit Gerüchte um Ermittlungen gegen ihn nicht. Nach Recherchen dieser Zeitung haben Steuerfahnder sowohl seine Wohnung als auch seine Arbeitsstelle durchsucht. Brych arbeitet beim Bayerischen Fußballverband.

Die Schiedsrichter, gegen die ermittelt wird, sollen Einnahmen aus ihrer Tätigkeit bei Freundschaftsspielen nicht versteuert haben. Ein Schiedsrichter soll im Rahmen eines mehrtägigen Lehrgangs im Ausland ein Spiel geleitet haben und dafür 4000 Euro erhalten haben. Dieses Geld soll er nicht versteuert haben. Seine Wohnung soll am Montag durchsucht worden sein. Auch die Privaträume eines anderen bekannten Bundesliga-Schiedsrichters sollen durchsucht worden sein.

Der frühere Fifa-Schiedsrichter Michael Kempter zählt ebenfalls den Personen, gegen die ermittelt wird. Das hat sein Anwalt Christoph Schickhardt dem Sportinformationsdienst bestätigt. Kempter ist bereits 2009 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 23 750 Euro verurteilt worden.

Die Person Michael Kempter ist Ausgangspunkt der ganzen Ermittlungen. Nach Informationen des Tagesspiegels hat der frühere Schiedsrichter-Obmann des DFB Manfred Amerell der Steuerfahndung Augsburg angeblich belastendes Material übergeben – als Rache an Kempter. Denn der frühere Spitzenschiedsrichter hatte Amerell 2009 der sexuellen Belästigung beschuldigt. Amerell weist diesen Vorwurf empört zurück, mit Kempter prozessiert er deswegen vor dem Landgericht Hechingen. Amerell hat offenbar in monatelanger Kleinarbeit sein Material zusammengetragen. Sein Anwalt Jürgen Langer lehnte jede Stellungnahme ab.

Sollten sich die Vorwürfe gegen Kempter erhärten, könnte der Mann, der als Schiedsrichter mal vor einer steilen internationalen Karriere stand, wegen „gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung“ angeklagt werden. Im Falle einer Verurteilung droht ihm sogar eine Freiheitsstrafe.

Beim DFB ging es auch am Dienstag hektisch zu. „Wir untersuchen gerade, welche Schiedsrichter betroffen sein sollen“, sagte der neue Schiedsrichter-Obmann Herbert Fandel auf Nachfrage. „Alles andere klären wir in Ruhe intern.“ Zu eigenen Steuerangelegenheiten wollte sich Fandel nicht äußern. Zu der Frage, seit wann der DFB von den Vorwürfen weiß, nahm der Verband ebenfalls keine Stellung. Schutzsperren für Schiedsrichter, etwa für die Mittwochspiele im DFB-Pokal, stehen aktuell nicht zur Debatte – dieses Mittel steht nur bei einem Verdacht auf Spielmanipulationen zur Verfügung. Der DFB steht auf dem Standpunkt, die Schiedsrichter seien als Freie Mitarbeiter für sich selbst verantwortlich. Pressechef Ralf Köttker betonte am Dienstag, dass er die Sache für eine Privatangelegenheit der Verdächtigen hält: „Jeder Schiedsrichter ist für seine Steuererklärung selbst verantwortlich.“

Weil die Schiedsrichter ihre Dienste nur einem einzigen Auftraggeber, dem DFB, anbieten können, könnten sie sich durchaus am Rande der Scheinselbstständigkeit bewegen. Das betrifft, neben Trainingsalltag und Physiotherapie, auch die Versteuerung der Einkünfte. Und die ist zwischen Scheinselbständigkeit und dem Betreiben eines gewerbesteuerpflichtigen Unternehmens eine Wissenschaft für sich. Kaum ein Schiedsrichter verfasst seine Steuererklärung noch selbst. Die jetzt unter Verdacht geratenen Schiedsrichter aus Süddeutschland werden laut Ermittlerkreisen alle von einem Steuerberater betreut, der früher selbst als Schiedsrichter in der Bundesliga aktiv war.

Schlupflöcher für Unterschlagungen gibt es reichlich. Das reicht von der Angabe falscher Reisekosten, dem Weglassen der Umsatzsteuer bis hin zur Weigerung, überhaupt Steuern zu zahlen. Von Dominik Marks, einem der Verurteilten in der Betrugsaffäre um Robert Hoyzer, heißt es, er habe als angehender Wirtschaftsprüfer darauf beharrt, die Schiedsrichterhonorare vom DFB seien nicht zu versteuernde Aufwandsentschädigungen. Es steht zu vermuten, dass Marks durch die daraus resultierenden Steuerschulden erst empfänglich wurde für die Anfrage zu Spielmanipulationen.

Als der Berliner Bundesliga-Schiedsrichter Felix Zwayer am Wochenende im Rahmen einer Protestaktion gegen Gewalt auf Fußballplätzen in Spiel in der Kreisliga B pfiff, hätte ihm gemäß Honorarordnung des Berliner Fußball-Verbandes eine Vergütung von 15 Euro zugestanden. Auch dafür wären 19 Prozent Umsatzsteuer fällig gewesen, aber unter Verrechnung der Anreise- und Wäschekosten hätte sich bei mehrstündiger Aufbereitung am Schreibtisch vielleicht ein kleiner Gewinn errechnen lassen. Zwayer verzichtete dankend und spendete den Betrag in die Mannschaftskasse.

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