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Sport: Sport 2000: "Weil ich ein absolut reines Gewissen habe"

Und dann war Christoph Daum reingekommen, taubenblau der Anzug, entschlossen der Blick, ebenso der Schritt. Der Raum in den Katakomben des Leverkusener Stadions war gerammelt voll, die Presse der Republik war gesammelt angetreten.

Und dann war Christoph Daum reingekommen, taubenblau der Anzug, entschlossen der Blick, ebenso der Schritt. Der Raum in den Katakomben des Leverkusener Stadions war gerammelt voll, die Presse der Republik war gesammelt angetreten. Ob da wohl einer drunter war, der nicht glaubte, was die Branchen, und zwar die, die Fußball spielt und die, die über Fußball schreibt, seit Jahren munkelte? Eher nicht, insofern war weitgehend alles klar vorab, als Daum zur Rede zu seinem angeblichen Drogenkonsum anhub. Aber dann sagte Daum, dass er eine Haarprobe abgegeben habe, damit seine Lauterkeit bewiesen werden könne, und, dass er nichts zu befürchten habe. Gut, das heißt noch nichts, Fußballers Sätze überstehen oft die nächste Stunde nicht, die Lüge, hat FC Bayern-Manager Uli Hoeneß einmal gesagt, gehört dazu, wenn man zum Beispiel einen sündhaft teuren Transfer zum glücklichen Abschluß bringen will.

Aber dann hatte Christoph Daum gesagt, "ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe." Ab-so-lut! Jede einzelne Silbe betont. Und seine Augen wichen keinem Blick aus. Kann ein Mensch so lügen, kann er diese Chuzpe haben, sich vor eine Hundertschaft von Journalisten zu stellen, und so lügen? Man kennt das, werden Sportler zum Beispiel nach ihren Hobbys befragt, so antworten sie gerne mit "Theater". Meist war das letzte Theater, was sie gesehen haben, das Kasperletheater im Kindergarten. Auch sind im Sport, besonders in der eigenen Mannschaft, nahezu alle innigste Freunde, auch wenn die Augen dem Kollegen die Pest an den Hals wünschen. Man lernt im Laufe eines Sportjournalistenlebens mit der Flunkerei zu leben, sie ist durchschaubar. Aber " ... weil ich ein absolut reines Gewissen habe", das war ein Satz, der einem Eid gleich kam. Am Ende der Pressekonferenz war gar nicht mehr allen im Saal alles klar. Könnte es nicht auch sein, dass Daum wirklich unschuldig ist?

Es kam anders, man weiß es inzwischen. Es gibt jetzt die unterschiedlichsten Theorien, warum Daum sich so ohne Not ausgeliefert hat mit seiner Haarprobe, die niemand forderte. Verzweiflung, Realitätsverlust? Alles möglich. Allerdings auch die Version, dass er sich einfach verrechnet hat, dass er geglaubt hat, die Substanzen im Körper seien schon zerfallen, ein Nachweis nicht mehr möglich. Dann ist er nicht mit absolut reinem Gewissen vor die Presse getreten, sondern mit dem absoluten Willen zur reinen Täuschung. Ist diese Variante nicht sogar die wahrscheinlichste? Das Jahr 2000 hat die Glaubwürdigkeit des Sportes nicht gerade erhöht.

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