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Sportprotest: Achtung, jetzt komm ich!

Sie protestieren für den Weltfrieden, predigen die Apokalypse, werben für Hundefutter oder wollen einfach mal durchs Fernsehbild rennen: die Störenfriede des Sports.

Als Trenton Oldfield in seinem Neoprenanzug aus der Themse gefischt wird, liegt ein Grinsen auf seinem Gesicht. Ein stolzes Grinsen. Die berühmteste Ruderregatta der Welt hat er für eine halbe Stunde unterbrochen. Mitten im Rennen zwischen Oxford und Cambridge war er ins Wasser gesprungen und vor den Booten aufgetaucht. Ein erleichtertes Grinsen ist es vielleicht auch, denn ihm ist nichts zugestoßen, als die Ruderblätter durchs Wasser pflügten. Dass Oldfield von Polizisten abgeführt wird und sich bald vor Gericht verantworten muss, scheint ihn in diesem Moment nicht zu bekümmern. Er hat gerade weltweite Aufmerksamkeit erregt und wird noch hinterherschicken, wofür eigentlich: Er wollte gegen das Elitedenken protestieren und was eignet sich da besser als das Duell zweier Elite-Unis?

Das war am Samstag vor einer Woche und Oldfields öffentliches Bad ist damit der jüngste Auftritt eines Störenfrieds im Sport. Weil er sich in England abspielte, wurden gleich Befürchtungen laut, dass so etwas auch bei den Olympischen Spielen im Sommer in London möglich sei. Sebastian Coe, der Vorsitzende des Organisationskomitees, erklärte: „Solche Aktionen zerstören die Träume von Menschen, die einen Großteil ihrer Jugend dafür aufgebracht haben, sich auf diesen Moment vorzubereiten.“ Die freiwilligen Olympiahelfer sollen besonders geschult werden, um zu verhindern, dass sich jemand unerlaubt ins Geschehen wirft. Doch auch die strengsten Sicherheitsvorkehrungen werden nicht alles verhindern können.

Das Massenereignis Sport nutzt immer wieder jemand für sich aus. Aus Spaß oder Eitelkeit. Aus kommerziellen Gründen oder politischen. Aus Irrsinn. Manche Störenfriede gehören zur Folklore wie die Flitzer, die nackt übers Fußballfeld laufen. Oder greifen auch in den Wettkampf ein. Als das Rennen Oxford gegen Cambridge fortgesetzt wurde, kollidierten die beiden Boote, ein Ruder des Oxforder Achters brach. Bis zu Oldfields Sprung ins Wasser hatte Oxford vorn gelegen. Am Ende gewann Cambridge.

Die Bühne des Sports zu entern, hat Tradition

Die Bühne des Sports zu entern, hat Tradition und begann schon, bevor die Fernsehsender ausführlich live übertrugen. 1952, bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Helsinki, betrat eine Frau im Engelsgewand die Rednerbühne. „Ladies and Gentlemen“ – weiter kam sie nicht, dann wurde sie abgeführt. Barbara Rotraut Pleyer, Jura-Studentin, hatte einen Friedensappell an die Welt richten wollen und in sieben Sprachen vorbereitet.

Dreißig Jahre später, bei den Olympischen Spielen in München, erklärte der 16 Jahre alte Schüler Norbert Südhaus seiner Familie, sie würden ihn nachher im Fernsehen sehen. Beim Marathon lief er dann mit der fiktiven Startnummer 72 vor den schnellsten Läufern ins Stadion, aus Jux und Dollerei. Die Zuschauer jubelten ihm zu, er sah schließlich wie der Sieger aus. Der Führende Frank Shorter erhielt danach schwächeren Beifall. Hinterher tat Südhaus sein Vorpreschen leid, er entschuldigte sich in einem Brief bei Shorter, ihm die Schau gestohlen zu haben.

Südhaus hatte den Ablauf gestört, aber das Ergebnis war dasselbe. Anders lief es beim olympischen Marathon 2004 in Athen. Da stürzte sich Cornelius Horan, ein suspendierter irischer Priester, auf den führenden Vanderlei de Lima. An seine Kleidung hatte Horan ein Plakat geheftet: „The Grand Prix priest. Israel fulfillment of prophecy says the Bible, the second coming is near“. De Lima wurde am Ende Dritter. Niemand weiß, ob es ohne den Angriff zu Gold oder Silber gereicht hätte. Horan wurde zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Schon ein Jahr zuvor war er im Sport aufgefallen, als er sich beim Formel 1-Grand Prix in Silverstone auf die Strecke gestellt hatte.

Doch zwei Störmanöver sind nichts im Vergleich zu Jimmy Jump. So nennt sich der wohl bekannteste Flitzer Jaume Marquet aus Spanien. Er hatte unter anderem bei der WM 2010 dem Pokal seine Mütze aufzusetzen versucht. Auch Cristiano Ronaldo und Lionel Messi hat er schon im Spiel mit einer Mütze bedacht. Beim EM-Halbfinale 2008 zwischen Deutschland und der Türkei trug er die Botschaft „Tibet is not China“ aufs Feld. Er habe immer ins Fernsehen kommen wollen, erzählt er in einem Dokumentarfilm über ihn. Doch niemand wollte ihn. „Also musste ich radikaler sein. Ich will den Menschen zeigen, dass sie alle Grenzen dieser Welt überwinden können, wenn sie bereit sind, alles dafür tun“, zitiert ihn „Spiegel online“. Die Geldstrafen dafür haben sich bei Marquet inzwischen zu hohen Schulden summiert.

Auch wenn sich viele Fernsehsender verpflichtet haben, keine Flitzer zu zeigen – im Zeitalter von Youtube scheint das wenig zu nützen. Nicht immer stürmen Flitzer in friedlicher Absicht aufs Feld. Im niederländischen Pokalspiel zwischen Ajax Amsterdam und AZ Alkmaar im Dezember 2011 rannte ein angetrunkener Hooligan aggressiv auf Alkmaars Torwart Esteban Alvarado Brown zu. Brown trat auf den Angreifer ein, auch als der schon am Boden lag. Die Rote Karte, die er dafür erhielt, wurde am nächsten Tag wieder aufgehoben.

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