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Münchner Tennisfrühling. Michael Mronz kehrt beim Turnier in München zu seinen Wurzeln als Sportorganisator zurück. Im vergangenen Jahr gewann Thomas Haas.

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Sportvermarkter Michael Mronz: "Berlin fehlt ein Tennisturnier"

Der Sportvermarkter Michael Mronz spricht im Tagesspiegel-Interview über den Aufstieg und Fall von Sportarten, Eventzuschauer und wie er den Tennissport wieder nach oben führen möchte.

Herr Mronz, glauben Sie noch an Tennis?

Dass Tennis eine Renaissance erleben wird und noch mal auf das Niveau der 90er Jahre kommt, glaube ich nicht. Weil es damals eine einmalige Situation mit Graf, Becker, Huber und Stich gab.

Warum haben Sie dann das Münchner Tennisturnier übernommen, das an diesem Samstag beginnt?
Ich glaube an Tennis-Veranstaltungen. Darüber hat Tennis gute Chancen, wahrgenommen zu werden, auch losgelöst von Protagonisten. Schauen Sie sich Halle in Westfalen an: Das Rasenturnier in einem Stadion für 12 000 Menschen ist ein Superprodukt. Oder Hamburg: Das Turnier war eigentlich schon tot, ehe es Michael Stich wieder zum Leben erweckt hat.

Sie gelten als erfolgreicher Sportvermarkter. Aber brauchen Sie nicht doch erfolgreiche deutsche Spielerinnen und Spieler?
Tommy Haas ist ein Ticketseller, aber er wird nicht mehr lange spielen. Die Leute kommen sicher, wenn ein Deutscher im Finale steht, aber da ist egal, ob er Gojowczyk, Kohlschreiber oder Mayer heißt, solange er nicht ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Bei den Damen haben auf jeden Fall Sabine Lisicki oder Andrea Petkovic das Potenzial, die Leute zu fesseln.

Sie vermarkten unterschiedliche Sportarten, warum jetzt Tennis?
Da liegen meine Wurzeln. Mit 21 Jahren, direkt nach dem Abitur, habe ich mein erstes Tennisturnier organisiert. Am Anfang waren das Preisgeldturniere, dann Challengerturniere, 1994 auch mal ein Grand-Prix-Turnier in Köln. Der Tennissport ist mein Zuhause. So bin ich auch zum Reiten und zur Vermarktung des CHIO in Aachen gekommen. Als ich ein Tennisturnier in Aachen organisiert habe, wurde 1995 beim CHIO jemand für den Marketingbereich gesucht.

Kann Tennis etwas vom Reiten lernen?
Wir hatten eine ähnliche Situation beim CHIO wie heute im Tennis. Vor einigen Jahren hatten wir knapp 200 000 Zuschauer und jeder aus der Reitsportszene kannte Aachen. Inzwischen haben wir 350 000 Zuschauer. Nicht weil die Zahl der Reiter exponential zugenommen hat, sondern weil wir die Eventzuschauer erreicht haben. Diejenigen, die nach Bayreuth zu Wagner gehen oder zu den Salzburger Festspielen oder sich auch mal ein Fußball-Länderspiel anschauen. Das wollen wir nun auch beim Tennis erreichen.

Und zwar wie?
Wir wollen die Veranstaltung stärker als Lifestyle-Event positionieren, über das die Leute sagen: Da wollen wir dabei sein, tollen Sport sehen, eine gute Zeit haben.

Was machen Sie konkret?
Als Erstes stellen wir dafür tatsächlich den Sport mehr in den Mittelpunkt. Wir haben mitten auf der Anlage einen Trainingsplatz eingerichtet. Weil wir wieder eine Verbindung schaffen wollen zwischen dem Sport und den Menschen. Bei uns können die Zuschauer besonders nah an den Spielern sein, auch beim Training. Und wir wollen mehr Leichtigkeit reinbringen, vermeiden, dass die Leute immer nur auf einem Platz sitzen müssen.

In Berlin rostet gerade ein großes Tennisstadion vor sich hin. Hatten Sie schon Kontakt mit dem Turnierklub Rot-Weiß?
Vor einem Dreivierteljahr habe ich einmal kurz mit Rot-Weiß gesprochen, um zu schauen, ob man dort ein Damenturnier organisieren kann. Da sind wir bisher nicht zu einem Ergebnis gekommen. Die Rahmenbedingungen stimmen noch nicht. Wir bräuchten einen guten Termin, damit viele gute Spielerinnen kommen. Der Verein hat schließlich einen gewissen Anspruch, was die Attraktivität des Teilnehmerfeldes angeht. Grundsätzlich will ich aber nichts ausschließen, weil die Anlage sehr schön ist.

"Fußball nimmt zuviel Platz ein"

Gibt es etwas, was Sie an Berlin reizt oder abschreckt?
Ein Tennisturnier würde mich schon reizen, weil es eine Historie hat. Genauso wie auch ein großes Reitturnier fehlt.

Beim Dressurreiten stellt sich doch eine ähnliche Frage wie beim Tennis: Warum sollte ich da hingehen? Jemand, der fachfremd ist, steht doch nach spätestens einer halben Stunde auf und geht Kaffee trinken.
Nicht bei uns in Aachen.

Obwohl der Wunderhengst Totilas dort derzeit gar nicht zu sehen ist?
Der kommt zurück, das sage ich Ihnen. 1999 haben wir in Aachen ein neues Dressurstadion gebaut. Davor hatten wir eines mit 800 Plätzen, das jetzige fasst 5000. Heute ist es jeden Tag ausverkauft, wir bauen im Zuge der Reit-EM 2015 sogar noch eine zusätzliche Tribüne für weitere 1300 Zuschauer. Die verstehen doch nicht alle, was unten im Viereck passiert.

Michael Mronz, 47, vermarktet und veranstaltet mit seiner Firma MMP Veranstaltungen wie den Bundesvision Song Contest, Marathonläufe und das CHIO in Aachen.
Michael Mronz, 47, vermarktet und veranstaltet mit seiner Firma MMP Veranstaltungen wie den Bundesvision Song Contest, Marathonläufe und das CHIO in Aachen.

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Die sehen ein schönes Pferd.
Mehr noch: Wir haben ein Dressur-Radio eingeführt, sie bekommen im Ohr erläutert, was im Viereck passiert. Wir nutzen technische Hilfsmittel wie Apps, um den Sport so transparent wie möglich zu machen. Sobald ich eine Sportart verstehe, kann ich mich dafür begeistern. Warum funktioniert Formel 1 so gut? Weil RTL es geschickt versteht, die Sportart für die Menschen zu übersetzen.

Ändert denn der Eventcharakter von Veranstaltungen auch die Sportart?
Eine Sportart bildet immer auch den Zeitgeist ab. Früher gab es noch Mächtigkeitsspringen, Prüfungen, in denen es darum ging, welches Pferd am höchsten springt, manchmal 2,30 Meter. Heute geht es mehr um das Wohlergehen des Tieres, darum, Gelenke auch zu schonen. In Aachen sind die Hindernisse im schwersten Springen bis 1,60 Meter hoch.

Die maximale Abmessung im Springsport. Auch nicht absolut gelenkschonend.
Das ist eine Frage der Definition. Wenn ich Leistungssport betreibe, dann ist das immer eine zusätzliche Herausforderung, beim Mensch wie beim Tier. Rein aus Marketingaspekten würde ich sofort ein Mächtigkeitsspringen machen. Denn für jemanden, der keine Ahnung vom Reiten hat, klingen 1,60 Meter nicht so interessant wie 2,30. Aber der Zeitgeist lässt es nicht zu. Die Entwicklung einer Sportart ist also nicht nur marketinggetrieben.

Halten Sie eine Sportart für überschätzt?
Fußball ist natürlich nicht überschätzt, aber er nimmt übergebührend viel Platz ein. Es ist nur so: Alles außer Fußball kann man heute nicht mehr nur über die Sportart verkaufen. Ich glaube daher auch nicht, dass es die Sportart gibt, die als Nächstes nach oben kommt oder runterfällt. Es wird sehr stark davon abhängen, ob es mehrere Veranstalter geben wird, die das gleiche Produkt einer Sportart professionell verpacken.

"Mittlerweile wechseln Leute vom Golfsport wieder zum Tennis"

Gibt es eine Sportart, die Sie gerne größer rausbringen würden?
Ich finde Beachvolleyball sehr spannend. Vor zehn Jahren hat jeder gesagt: Beachvolleyball wird als Nächstes durchkommen, weil es alle Voraussetzungen hat – Sex-Appeal, Fun, Urlaubsgefühle, erfolgreiche deutsche Paarungen. Trotzdem hat es Beachvolleyball nicht geschafft, sich als Fernsehsportart zu positionieren. So wie es auch sonst keine andere Sportart zuletzt geschafft hat. Weil die Leute mehr gewohnt sind, sich mal dies, mal jenes anzuschauen. Cherry-Picking eben.

Haben Sie noch nie im Fernsehen eine kuriose Sportart gesehen und gedacht: Da könnte man was draus machen?
Eigentlich nicht. Ich habe das bisher immer Stefan Raab überlassen, für den wir ja zum Beispiel die Wok-WM organisieren dürfen.

Sie lassen dafür in jedem Sommer bei „Berlin fliegt“ Stabhochspringer mitten in Berlin am Brandenburger springen.
Ja, und es funktioniert. Es ist eine Chance für die Leichtathletik, neue Zielgruppen anzusprechen. Der klassische Leichtathletikzuschauer wird eher sagen: Was soll ich da, ist doch nur Tamtam. Die Sportler schätzen es aber sehr wohl als vernünftigen Sport. Aus sportlichen Dingen halte ich mich ohnehin immer raus. Ich interessiere mich natürlich für die Sportart, bin aber kein Fachmann. Die Auswahl der Disziplinen ist Sache des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Wer kommt denn zu „Berlin fliegt“?
Laufpublikum und Touristen. Aber das ist genau die Idee. Wir wollten damit schließlich auch Werbung für die Leichtathletik-EM in Berlin 2018 machen.

Wie groß schätzen Sie zum Beispiel beim Tennis das neue Eventpublikum ein im Vergleich zu den klassischen Tennisfans?
50:50. Die Hälfte der Zuschauer sagt: Ich liebe diese Sportart. Die andere Hälfte will noch etwas anderes haben, ein Erlebnis. Auch diese Zuschauer haben Spaß am Tennis. Aber sie kaufen die Eintrittskarte nicht deswegen, weil sie den oder den Spieler sehen wollen. Die Diskussion haben wir oft auch in Aachen, wenn es heißt: In der Nebenprüfung sind nicht die besten Pferde am Start. Das mag sein. Immer entscheidender aber ist die Attraktivität und Ausstrahlung der Prüfung und nicht allein die Attraktivität der Pferde.

Wie sieht das Zuschauerverhältnis in zehn Jahren aus?
Es wird immer mehr Eventzuschauer geben, weil aus der Sportart heraus keiner dazukommen wird. Es werden nicht auf einmal mehr Menschen Mitglied im Deutschen Tennis-Bund sein wollen. Wobei ich beobachte, dass mittlerweile Leute vom Golf zum Tennis zurückkehren.

Wie erklären Sie sich das?
Das Momentum beim Golf ist nicht mehr da. Vor 15 Jahren gab es in jeder Stadt vielleicht einen Golfclub, da kam man gar nicht rein, das war wie ein Chefarzttermin. Dann wurden viele Golfclubs eröffnet, viele dachten, das sei ein super Geschäftsmodell. Aber dadurch verlor es seine Besonderheit. Einige wollen vielleicht auch wieder eine Sportart ausüben, die größere körperliche Anstrengung erfordert. Ich denke, ich kann das ganz gut beurteilen, ich spiele Tennis und Golf.

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