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Sport: Sprechstunde auf dem Betzenberg - Vom schleichenden Machtverlust des Fußballlehrers Otto Rehhagel

Heute wird der Theater-Liebhaber Otto Rehhagel wieder in seine Paraderolle schlüpfen. Im Spiel gegen Hertha BSC gibt der Trainer des 1.

Heute wird der Theater-Liebhaber Otto Rehhagel wieder in seine Paraderolle schlüpfen. Im Spiel gegen Hertha BSC gibt der Trainer des 1. FC Kaiserslautern für 90 Minuten das Rumpelstilzchen vom Betzenberg. "Ich bin ein wandelnder Vulkan", hat der 61-Jährige einmal über sich selbst gesagt. Genutzt hat die Metamorphose ihm und seine Mannschaft in letzter Zeit herzlich wenig. Fünf Heimniederlagen hat Kaiserslautern in dieser Saison schon kassiert.

Zwar darf die Mannschaft nach dem 2:1-Sieg am vergangenen Sonnabend bei Schalke 04 wieder auf die Teilnahme an der Champions League hoffen. Dennoch verläuft die Saison bislang eher wie eine Achterbahnfahrt, die bei nur vier Punkten Vorsprung auf Platz neun noch nicht zu Ende sein muss. Denn immer, wenn die Lauterer auf dem Sprung nach oben waren, erlitten sie einen Rückschlag. Und immer mehr rund um den 1. FCK sind zu der Erkenntnis gekommen, dass Rehhagel für diesen Schlingerkurs die Verantwortung trägt.

Mehr und mehr dringen Gerüchte über einen schleichenden Autoritätsverlust des "demokratischen Diktators" (Rehhagel über Rehhagel) nach außen. Vor dem 2:2 Ende März bei bei Bayern München soll es in der Kabine zur offenen Rebellion gekommen sein. Nach Angaben der "Welt am Sonntag" hatten sich Spielführer Ciriaco Sforza und Stürmer Olaf Marschall gegen die taktischen Vorgaben des Trainers gestellt. Sforza dementierte diese Geschichte vielsagend mit den Worten: "Das stimmt so nicht. Es waren nämlich zwei andere Spieler."

Überhaupt, Sforza. Welche Rolle der Schweizer in der ganzen Inszenierung spielt - Vatermörder oder reuiger Sünder - bleibt unklar. Am Ende des Hauskrachs aber musste Rehhagel, sanft gedrängt vom Kaiserslauterer Vorstandsvorsitzenen Jürgen Friedrich und der Mannschaft, erstmals in seiner langen Karriere klein beigeben und den Rebell begnadigen, dem er eigentlich nie mehr die Hand geben wollte. "Rehhagel ist schon jetzt der Verlierer der Saison", kommentierte die "Bild"-Zeitung damals.

Sforza hat seine Vorwürfe gegen Rehhagel bis heute noch nicht zurück genommen: Konzeptlosigkeit, taktische Fehler, falsche Personalpolitik, überholte Menschenführung. Im Gegenteil, der Schweizer legt nach: "Uns fehlen im Mittelfeld Organisatoren und die richtige Mischung", sagte der Libero nach dem 1:2 gegen den VfB Stuttgart. Das war vor einer Woche.

In der Tat ist das taktische Konzept von Rehhagel nur schwer zu erkennen. Der Spielaufbau lahmt und oft haben darüber einzelne Geniestreiche von Weltmeister Youri Djorkaeff (der heute verletzt fehlt) oder des wieder erstarkten Mario Basler hinweg täuscht. "Wir sollten uns nichts vormachen: Unser Spiel sieht schon lange nicht mehr aus wie Fußball", sagt der frühere Torjäger Olaf Marschall.

Über Rehhagels Aussage, er habe seine Spieler immer korrekt behandelt, können viele Lauterer Profis nur noch müde lächeln. Zuletzt beklagte sich Marco Reich über die Menschenführung seines Trainers. Er könnte nach Michael Ballack und Thomas Riedl der nächste talentierte Spieler sein, der den Verein mangels Perspektiven verlässt. "Der Trainer zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Wenn ich denke, ich bin drin in der Stammelf, bin ich wieder draußen. Begründet hat er das nicht, aber das tut er ja grundsätzlich nicht."

Wer nun daraus folgert, Rehhagel rede nicht mit seinen Spielern, der irrt. Einmal in der Woche ist Sprechstunde. Wenn Rehhagel nämlich während des Spiels seine Bühne an der Seitenlinie kurz verlässt, redet ununterbrochen auf die auf der Ersatzbank sitzenden Spieler ein. Angesichts der anhaltenden Kommunikationsstörung fragen sich immer Lauterer: Hört ihm eigentlich noch jemand zu?

Dieter Ramklov

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