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Sport: Sprünge auf eigenes Risiko

Eberhard Gienger wird Leistungssportchef des DOSB – Zweifel an seiner Eignung hat er selbst provoziert

Berlin - Der Leistungssport in den Händen eines Weltmeisters – kann jemand besser dafür geeignet sein? Eberhard Gienger soll den wohl wichtigsten Bereich des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) übernehmen. Wenn der neue Dachverband des deutschen Sports am Samstag in Frankfurt am Main gegründet wird, kandidiert der Reck-Weltmeister von 1974 für das Amt des Vizepräsidenten Leistungssport. Dafür hat er sich viel vorgenommen. „Es gilt, den Abwärtstrend bei den Olympischen Spielen aufzuhalten“, sagt er.

Auf den ersten Blick bringt Gienger einiges mit, um dem Leistungssport in Deutschland wieder zum Aufschwung zu verhelfen: Wichtige Siege im Leistungssport. Außerdem Mut, denn der 54 Jahre alte Schwabe ist schon mehr als 3000 Mal mit dem Fallschirm gesprungen. Politische Übung hat er im Bundestag bekommen als Abgeordneter der CDU. Kurz vor der Wahl sind dennoch Zweifel an seiner Eignung aufgekommen.

Im Grunde hat Gienger die Zweifel selbst hervorgerufen. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ stellte er sich ungeschickt an. Er gab zu, acht Tage lang nach einer Operation ein Anabolikum eingenommen zu haben, offenbarte Wissenslücken zum Thema Doping und gab sich loyal gegenüber seinem umstrittenen ehemaligen Arzt Armin Klümper: „Professor Klümper war ein Arzt, der sehr großzügig verschrieben hat. Ich habe im Laufe der Zeit festgestellt, dass ich die Medikamente gar nicht alle essen konnte.“ Klümper behandelte auch die Leichtathletin Birgit Dressel. Als sie 1987 im Alter von 26 Jahren starb, vermerkte der Obduktionsbericht, dass sie vor ihrem Tod mehr als 100 verschiedene Medikamente eingenommen hatte.

Kollegen aus dem Bundestag wie der Vorsitzende des Sportausschusses Peter Danckert von der SPD und Winfried Hermann von den Grünen nannten Giengers Äußerungen „naiv“. Für Klümper hatte sich Gienger schon 1997 in einer Zeitungsanzeige eingesetzt. Dem Tagesspiegel sagt er nun dazu: „Wer mir das übel nimmt, dem kann ich nicht helfen. Ich schätze Herrn Klümper als Mediziner und als Freund.“ Unterstützung erhält Gienger immerhin von Rainer Brechtken, dem Präsidenten des Deutschen Turner-Bundes (DTB): „Ich habe keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass er ein Verfechter des Anti-Doping-Kampfes ist.“

Ein anderer ranghoher Verantwortungsträger des DTB, der ungenannt bleiben möchte, sieht in der Auswahl Giengers für das DOSB-Präsidium Vor- und Nachteile. „Gienger bringt das Charisma mit, um das Thema Spitzensport öffentlich zu repräsentieren. Er kann sich auch in Themen einarbeiten.“ Nur fehle es Gienger an Strategien, und bei konfliktreichen Themen falle es ihm schwer, Linie zu halten. Die jüngsten Äußerungen zum Thema Doping seien außerdem Beleg dafür, dass Gienger sich nicht von den richtigen Leuten beraten lasse. „Er springt immer alleine vom Himmel.“

Gienger, der nach der Wahl des DOSB im DTB als Vizepräsident zurücktritt, aber im Sportausschuss des Bundestages bleiben will, möchte sich bewusst nicht vor der Wahl dazu äußern, wie er den Leistungssport voranbringen will. Er verweist auf eine Klausurtagung des DOSB-Präsidiums in der kommenden Woche. Wer Gienger eigentlich vorgeschlagen hat, ist nicht eindeutig herauszubekommen. Im Moment will es keiner gewesen sein. Vielleicht war es doch allein die Idee von Thomas Bach, dem designierten Präsidenten des DOSB. Bach kennt Gienger schon aus dem „Beirat der Aktiven“, als sich Fecht-Olympiasieger Bach und Weltmeister Gienger gemeinsam 1980 gegen den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau engagierten. Bach sagt: „Die Findungskommission hat ein klares Anforderungsprofil entworfen, und diesem Profil entspricht er.“

Einen Gegenkandidaten hat Gienger nicht, die mögliche Konkurrentin Christa Thiel hat rechtzeitig zurückgezogen. Gienger plant auch schon langfristig: „Ich denke, man wird die Ergebnisse unserer Arbeit noch nicht 2008 in Peking sehen können. Aber 2012 in London.“

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