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Sport: Sprung in den Brunnen

Auf Mallorca blieben die deutschen Fans unter sich

Ab 15 Uhr ging nichts mehr. Schon knapp sechs Stunden vor dem Anpfiff des EM-Endspiels in Wien schloss die Großdiskothek „Megapark“ an der Playa de Palma wegen Überfüllung ihre Türen. Rund 7000 deutsche Touristen wollten dort auf mehreren Großleinwänden das Finale sehen. Die Kneipengegenden, als „Bierstraße“ und „Schinkenstraße“ bekannt, waren fest in schwarz- rot-goldener Hand. Die Zeit bis zum Spielbeginn musste überbrückt werden, den ganzen Tag über liefen die einschlägigen Ballermann-EM-Hits auch in anderen Biergärten, Bars und Diskotheken in Endlosschleife, die Fans tranken sich dem Finale entgegen. Mehrere deutsche Fernsehsender waren angereist, um den deutschen Sieg auf der spanischen Insel festzuhalten.

Während der Großteil der deutschen Urlauber den spanischen Sieg in den Touristenhochburgen verfolgte, versammelten sich die Mallorquiner in der Innenstadt von Palma auf dem Paseo Maritimo. Bis zum Finale war unter der einheimischen Bevölkerung noch wenig EM-Enthusiasmus zu spüren, die Enttäuschungen bei großen Turnieren in der Vergangenheit machten viele von ihnen misstrauisch. Ernsthaft an die Möglichkeit des Titelgewinns glauben wollte man erst, als Fernando Torres den Ball an Jens Lehmann vorbei zum 1:0 ins Tor lupfte. Im Megapark sorgte der Treffer dagegen eher für Ernüchterung.

Mit dem Schlusspfiff brach der Jubel der Spanier los, viele Fans gaben sich der iberischen Jubeltradition hin, nach großen Siegen in Brunnen zu springen. Dabei sind die Inselbewohner dem spanischen Festland gegenüber sonst eher reserviert. Noch lange nach Abpfiff schob sich ein gigantischer Autokorso von den Dörfern aus über die Insel – mit dem Ziel Palma.

Da waren die meisten Deutschen bereits wieder zum feuchtfröhlichen Urlaubsalltag übergegangen. Der Schock über die Niederlage und die Trauer über den verpassten EM-Titel waren schon zwei Stunden nach Abpfiff wieder verflogen, die seltenen Begegnungen zwischen Spaniern und Deutschen verliefen friedlich. Nennenswerte Auseinandersetzungen zwischen spanischen und deutschen Fans gab es in der Nacht keine, die Polizei war trotzdem mit einem starken Aufgebot an der Playa de Palma vertreten.

Holger Weber ist Stellvertretender Chefredakteur der „Mallorca-Zeitung“.

Holger Weber[Palma de Mallorca]

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