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Sport: Sprung nach vorn im letzten Rennen

Der Berliner André Niklaus wird überraschend in Helsinki Vierter im Zehnkampf – die Goldmedaille gewinnt der US-Amerikaner Bryan Clay

Zum Schluss noch ein beherzter Spurt. André Niklaus rannte beim 1500-Meter-Lauf, der letzten Disziplin des Zehnkampfs, als Zweiter ins Ziel. Es war das furiose Ende einer großartigen Leistung bei der Weltmeisterschaft im Olympiastadion von Helsinki. Nach dem ersten Tag hatte Niklaus Platz zwölf belegt. Am zweiten Tag arbeitete sich der Berliner auf Platz vier vor. Könige der Leichtathletik werden die Zehnkämpfer genannt. An diesem Abend war der 23 Jahre alte Niklaus ein kleiner Prinz.

So freute er sich auch. „Der vierte Platz ist der Hammer“, sagte Niklaus. Im bisher besten Zehnkampf seines Lebens übertraf Niklaus gleich vier seiner Bestmarken: im Kugelstoßen, Stabhochspringen, Diskuswerfen und Speerwerfen. Zudem erreichte er wieder seine Bestmarke im Hochsprung. Seine höchste Punktzahl in einem Zehnkampf hatte er in diesem Jahr in Ratingen aufgestellt: 8193 Punkte. In Helsinki wurden es 8316. Der Rückstand zum Ungarn Attila Zsivoczky auf Platz drei betrug am Ende nur 69 Punkte. Niklaus sagte jedoch: „Eigentlich war schon der sechste Platz unrealistisch.“ Auf jeden Fall ist Niklaus’ Leistung die beste im deutschen Zehnkampf seit den Erfolgen von Frank Busemann.

Den Wettbewerb gewann Bryan Clay aus den Vereinigten Staaten vor dem Olympiasieger Roman Sebrle aus der Tschechischen Republik. Am zweiten Tag hatte Niklaus jedoch in einer Disziplin die Aufmerksamkeit des Publikums ganz für sich alleine. Im Stabhochsprung war der letzte Athlet nach übersprungenen fünf Metern gescheitert. Niklaus aber flog immer höher hinaus – bis über 5,30 Meter.

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Tero Pitkämäki winkte traurig ins Publikum. Er hatte einen nationalen Auftrag nicht erfüllt. Eine Medaille in der Lieblingsdisziplin der Finnen sollte er gewinnen, im Speerwerfen. Gerade wegen ihm waren die Karten für den gestrigen Wettkampftag schon vor Wochen ausverkauft gewesen. Doch die 40 000 Zuschauer im Olympiastadion konnten seinen Speer nicht zum Sieg tragen. Der Weltjahresbeste Pitkämäki erreichte 81,27 Meter und wurde Vierter. Wahrscheinlich werden die Finnen bei dieser Weltmeisterschaft keine einzige Medaille gewinnen, Pitkämäki war ihre größte Hoffnung.

Der 22 Jahre alte Speerwerfer musste nicht nur mit den Erwartungen zurechtkommen, sondern sich auch gegen die Naturgewalten stemmen. Es wehte ein heftiger Wind und er schien gerade bei seinen Würfen besonders ungünstig zu stehen. Als Pitkämäki seinen letzten Wurf verpatzte verließen einige schon das Stadion. Andere trösteten sich damit, dass wenigstens ein Athlet aus dem nahen Estland die Goldmedaille gewann, Andrus Warnik mit 87,17 Metern. Einige Zuschauer hielten eine finnische und eine estnische Fahne in der Hand.

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Etwas berechenbarer ging es im 400-Meter-Rennen der Frauen zu. Es gewann am Ende auch die Olympiasiegerin Tonique Williams-Darling von den Bahamas in 49,55 Sekunden. Williams-Darling ist schon eine alte Bekannte in der Leichtathletik, ganz im Gegensatz zur Siegerin des Weitsprungs. Die Amerikanerin Tianna Madison ist gerade erst 19 Jahre alt, und konnte deshalb hinterher sagen: „Ich habe keinen Druck gespürt und es war deshalb ganz leicht, sich auf den Wettbewerb zu konzentrieren.“

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So wie am Vortag ein Kenianer für sein neues Land Katar das 3000-Meter-Hindernisrennen gewonnen hatte, so siegte über 1500 Meter ein Marokkaner für Bahrain. Rashid Ramzi sagte daher auch: „Diese Medaille ist sehr, sehr wichtig für mein Land.“

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Alle redeten am Mittwoch über das Wetter, weil die Laufbahn nass war, der Wind heftig und der Sand in der Weitsprunggrube klebrig. Kirsten Bolm hatte in ihrem Halbfinale über 100 Meter Hürden 3,3 Meter Gegenwind pro Sekunde. Sie schaffte es dennoch als Zweite in 12,95 Sekunden ins Finale. Nach dem Erreichen ihres Ziels sprach sie jedoch zunächst über zwei Läuferinnen, die nicht schnell genug waren: „Es ist so ungerecht, da waren zwei mit mir am Start, die auf jeden Fall ins Finale gehören.“ Doch im Quervergleich mit anderen Läufen hatten sie keine Chance. Der Wind hatte sich im Lauf zuvor hinter die Starterinnen gestellt, diesmal aber gegen sie. „Ich wusste, dass ich mich nur über die Platzierung qualifizieren kann“, sagte Bolm. Das hat sie getan. Es war ein guter Tag für die deutschen Sprinter mit ihrem Erfolg und dem von Tobias Unger.

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