zum Hauptinhalt

Sport: Spürbare Provokationen

Karsten Doneck über den Trainerrauswurf beim 1. FC Union Im Stadion hielten sie Transparente hoch.

Karsten Doneck über den

Trainerrauswurf beim 1. FC Union

Im Stadion hielten sie Transparente hoch. Weiße Laken, darauf gemalt rote Herzen. Und „Georgi bleib!“, stand auf manchen Tüchern. Als der Trainer vor dem Spiel den Platz betrat, erhoben sich die Leute auf der Haupttribüne von ihren Plätzen und applaudierten ihm. Georgi Wassilew hat noch einmal das Gänsehaut verursachende Union-Feeling zu spüren bekommen – an jenem 27. September beim Heimspiel seines 1. FC Union gegen Greuther Fürth, also einen Tag, nachdem der Bulgare in einem die üblichen Höflichkeitsformen sprengenden Rahmen, auf einer Pressekonferenz, die Journalisten davon informiert hatte, dass er seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern werde. Heiner Bertram, der Präsident, und in dieser Funktion normalerweise Wassilews erster Ansprechpartner in derlei beruflichen Angelegenheiten, saß wie versteinert da, als er zusammen mit den Journalisten die Kunde vernahm.

Wassilews Verhalten kam einer Brüskierung seines Arbeitgebers gleich. Eine bewusste Provokation? Eine, in die sich schon der Hintergedanke eingeschlichen hatte, dass derlei Taten in absehbarer Zeit zur Kündigung führen würden? Wassilew wurde nicht sofort gefeuert. Er wurde erst gefeiert, auf seine unvergesslichen Ruhmestaten bei Union wurde verwiesen: Zweitligaaufstieg, DFB-Pokalfinale, Uefa-Cup-Teilnahme.

Wassilew hat nachgelegt. Nicht mit Ruhmestaten. Mit neuen Provokationen. Elf Tage nach dem Fürth-Spiel folgte ein 0:7-Debakel beim 1. FC Köln. Anschließend flog Wassilew – aber nur nach Zypern in Urlaub. Seine Spieler, die Niederlagen dieses Ausmaßes bisher überwiegend nur aus dem Ergebnisteil der Zeitungen kannten, ließ er ratlos zurück. Klar, die drei Urlaubstage waren Wassilew lange vorab genehmigt worden, aber was heißt das schon in einer solchen Situation? Wassilew ist kein blutjunger Trainer mehr, der für unüberlegtes Verhalten immer mal wieder eine gewisse Naivität als mildernden Umstand anführen kann. Er ist 56 Jahre alt, ein Trainer, der Erfahrungen hat. Also auch einer, der sehr wohl die Folgen seines Verhaltens abzuschätzen weiß. Insofern musste Wassilew auch damit rechnen, dass er entlassen wird.

„Ich habe die Provokation gespürt“, sagt Bertram. „Und man kann sich nicht alles gefallen lassen.“ Union hat mit der Entlassung Wassilews also folgerichtig gehandelt – und, wer weiß das schon, vielleicht sogar Wassilew damit einen Gefallen getan.

$AUTHOR

Zur Startseite