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Sport: Spurt ins Abseits

Stefan Holz galt als eines der größten Sprint-Talente – doch jetzt steht er kurz vor dem Aufgeben

Berlin. Ingo Schultz, der Vizeweltmeister über 400 m, fragte: „Wie geht’s?“, und es war bestimmt nicht bloß eine Floskel. Schultz interessiert sich wirklich für Stefan Holz. Er hatte schon im Frühjahr bei einem Meeting im Schwäbischen ein paar Athleten gefragt: „Was macht eigentlich der Stefan Holz?“ Und jetzt, bei der deutschen Leichtathletik-Meisterschaft, stand dieser Holz vor ihm, irgendwo im Ulmer Stadion.

Also, wie geht‘s? Holz hätte jetzt sagen können: Schlecht geht’s. Ich habe das Sprinten verlernt, ich laufe Zeiten, für die ich mich schäme, ich habe keine Lust mehr und stehe vor dem Aufhören. Kurz gesagt: Er hätte vom Scheitern eines der größten deutschen Leichtathletik-Talente über 200 m und 400 m der vergangenen Jahre erzählen können. Aber Holz, der Läufer vom VfL Sindelfingen, sagte bloß: „Den Umständen entsprechend.“

Holz redet nicht viel, wenn es ihm schlecht geht. Und es geht ihm ziemlich schlecht. „Er steht dicht vor dem Aufgeben“, sagt Uwe Hakus, der Chef-Bundestrainer der deutschen Sprinter. „Das wäre sehr schade, denn dann verliert die Leichtathletik eines ihrer größten Talente.“ Holz sagt: „Ich entscheide mich in den nächsten drei, vier Wochen.“

Er ist 23. Wenn so einer Schluss macht, hört er nicht einfach auf. So einer gibt auf, demoralisiert nach einem steilen Absturz, gescheitert an sich und anderen. Es ist ja nicht normal, dass einer mit 20 Jahren schon 45,11 Sekunden über 400 m sprintet, das Potenzial zu einer Zeit von 44,3 Sekunden hat, ein Jahr später aber nicht mal ins 400-m-Finale der deutschen Meisterschaft kommt, 2001 eine 400-m-Bestzeit von lächerlichen 46,89 Sekunden hat und 2002 nur mit großer Mühe unter 48 Sekunden läuft. Stefan Holz hätte werden können, was Ingo Schultz heute ist, ein dauerhafter Leichtathletik-Star.

Holz war nur kurz ein Star: 1999. Und doch war es zu lange. Holz ist ein netter, bodenständiger Typ, einer, der ein offenes, ehrliches Lachen hatte. „Und er war sehr lernwillig“, sagt Hakus. Aber dann lief er die 45,11, wurde kurz darauf zweimaliger Deutscher Meister, über 200 m und 400 m, und plötzlich war er nicht mehr bloß der nette Kerl aus dem Schwäbischen.

Er war ein Hoffnungsträger, umschmeichelt von Lobeshymnen und markigen Worten in den Zeitungen. Bayer Leverkusen wollte ihn, sein Verein VfL Sindelfingen wollte ihn halten. Wochenlang überlegte Holz, zerrissen zwischen dem Wunsch nach einem Wechsel, der ihm Geld eingebracht hätte, und dem ausgeprägten Heimatgefühl. Beim VfL Sindelfingen betreute ihn Martin Seeger, ein ruhiger, netter Mann. Holz hätte ihn am liebsten behalten und wäre bei Meetings für Leverkusen gestartet. Das ließ Bayer aber nicht zu.

Fataler Rummel

Deshalb blieb Holz bei Sindelfingen, aber der ganze Rummel muss ihn stark mitgenommen haben. Er trainierte schlecht und verlor seine Grundschnelligkeit. Aber zugleich sollte er doch Erwartungen erfüllen, er, der neue Hoffnungsträger, aber je verbissener er allen gerecht werden wollte, umso verkrampfter lief er. „Da haben wir Trainer wohl auch Fehler gemacht“, sagt Hakus.

Holz kam nicht heraus aus dem Tief. Das Verhältnis zu Seeger verschlechterte sich zunehmend. Stefan Holz bemerkte, dass er mit Seeger nicht mehr weiterkam, wollte sich aber nicht von ihm trennen. Der Sprinter hatte seine Lehre als Speditionskaufmann beendet, er musste nun länger arbeiten, er konnte nicht mehr so hart trainieren. „Der Martin wusste das schon“, sagt Holz, „aber er hat es doch nicht so richtig gesehen.“ Mit Seeger, das sah Holz, kam er nicht weiter. Aber erst im Frühjahr 2003 trennten sie sich. Jetzt hat Holz einen anderen Coach, aber der trainierte ihn erst mal nur bis zur deutschen Meisterschaft.

„Wenn ich wieder mein altes Niveau erreichen möchte, muss ich mindestens ein Jahr hart trainieren“, sagt Holz. „Stimmt“, erklärt Hakus, „aber er muss auch aus seinen Strukturen ausbrechen.“ Vereinswechsel, Trainerwechsel, Quälerei. Nur so könnte er wieder nach oben kommen.

Aber eigentlich will er das wohl gar nicht. Man muss ihm ja bloß zuhören. „Arbeitsplatzwechsel? Heute muss man doch froh sein, dass man einen Job hat.“ Stefan Holz will bald heiraten, Seegers Tochter. Er klingt nicht wie einer, der aufbrechen will. Er klingt wie einer, der resigniert hat. Das Kämpferische fehlt, das Feuer. In Ulm wurde er mit dem VfL Sindelfingen mit der 4-x-400-m-Staffel noch Zweiter. Aber schon seine Einzelzeit interessierte ihn nicht mehr. „Ach, die ist doch völlig egal.“

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