zum Hauptinhalt
o stellt sich der Deutsche Fußball-Bund seine neue Akademie vor. Doch solange die juristischen Auseinandersetzungen andauern, kann der Bau nicht beginnen.

© DFB

Stadt gegen Galopprennbahn: Der Streit um die DFB-Akademie in Frankfurt am Main

In Frankfurt am Main wollte der DFB längst eine neue Akademie bauen. Doch Pferdefreunde räumen das Gelände einfach nicht.

Marian Koutny wässert das Geläuf wie zu guten alten Zeiten. Er steuert seinen Trecker über die Sandbahn, hinten aus dem Tankwagen spritzt das Wasser. Oberkörperfrei sitzt der 42-Jährige bei drückender Hitze am Steuer, eine Getränkedose in der Hand. Koutny erklärt, das Wasser festige den staubigen Boden. Nur so kämen die Rennpferde auf der Trainingsstrecke voran. Er deutet auf die eigentliche Rennstrecke nebenan, wo das Gras inzwischen kniehoch gewachsen ist und seufzt: „Wenn ich nicht zumindest den Sand pflegen würde, wäre hier gar nichts mehr zu gebrauchen.“ Aber Pferdetrainer Koutny stemmt sich gegen den Verfall und gegen das Aus des Galopprennsports in Frankfurt – und damit nebenbei gegen das vielleicht spannendste Projekt im deutschen Fußball.

Ginge es nach dem Willen der Stadt, hätte Koutny mit seinen Pferden längst das Rennbahngelände verlassen. Schließlich hat die Stadt den bis 2024 laufenden Pachtvertrag mit der notorisch zuschussbedürftigen Betreibergesellschaft Hippodrom GmbH schon zu Ende 2015 gekündigt. Anfang 2016 sollte die Galopprennbahn übergehen an den Deutschen Fußball-Bund (DFB), der dort als Nachmieter seine DFB-Akademie errichten will. Laut Zeitplan wäre das zukunftsweisende Trainingszentrum mitten im Bau – und 2018 würde die Eröffnung gefeiert.

Stattdessen streiten Stadt und Rennklub seit anderthalb Jahren in diversen Gerichtsprozessen über die Rechtmäßigkeit der Kündigung. Die Stadt hat eine Räumungsklage eingereicht, der Verein eine einstweilige Verfügung gegen die Räumung erreicht. Dem DFB bleibt nur die Zuschauerrolle, sofern er auf das Grundstück der Galopprennbahn besteht. Wie lange das so bleibt, ist derzeit unklar. In den wichtigsten Streitpunkten urteilt das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) zwar am 27. Juli. Beim jüngsten Verhandlungstag deutete die Vorsitzende Richterin aber gleich mehrfach an, dass eine Revision durch den Bundesgerichtshof durchaus in Frage kommen könnte. Ein weiteres Jahr dürfte in diesem Fall vergehen, bevor der DFB Sicherheit hätte, ob er die Akademie in Frankfurt bauen kann.

Pferderennen gibt es schon lange nicht mehr

„Wenn es sein muss, werden wir bis in die letzte Instanz gehen, um Recht zu bekommen“, sagt Carl-Philip Graf zu Solms-Wildenfels, der Vize-Präsident des Rennklubs. „Aus unserer Sicht ist der Kauf- und Aufhebungsvertrag zwischen Hippodrom und Stadt sittenwidrig und damit die Kündigung nicht rechtens.“ Um den Weg für die DFB-Akademie freizumachen, hatte die Stadt 2014 dem Galopprennsport-Mäzen Manfred Hellwig die Hippodrom GmbH für drei Millionen Euro abgekauft. Nur so ließ sich der Pachtvertrag widerstandslos kündigen. Laut Solms-Wildenfels ist die Betreibergesellschaft aber allenfalls formal die Pächterin der Galopprennbahn gewesen. Nutzer und damit tatsächlicher Pächter sei immer der Rennklub gewesen. An dieser juristischen Spitzfindigkeit entscheidet sich nun, wann und vielleicht auch wo es mit der DFB-Akademie weitergeht.

An der stattlichen Tribüne der Galopprennbahn haben Vandalen die Scheiben eingeschlagen. Das Innere des Gebäudes ist verwüstet. Anderthalb Jahre ist das letzte Galopprennen in Frankfurt her. Viele Besitzer haben ihre Rennpferde aus den Ställen abgezogen und an andere Orte gebracht, seitdem der Rennklub vor Gericht um seine Existenz kämpft. Nur vier von einst 120 Pferden sind geblieben, um sie kümmern sich Marian Koutny und seine Frau. Der einst beliebte Golfplatz im Inneren des Rennbahn-Ovals ist kaum mehr zu erkennen. Anfang des Jahres hat der langjährige Betreiber die Anlage gegen eine Millionen-Entschädigung geräumt. Überall stehen „Betreten Verboten“-Schilder. Zumindest innerhalb der Rennbahn ist die Stadt nun zweifelsfrei Hausherr. Verfall und Zerstörung bieten einen traurigen Anblick, der unweigerlich Zweifel aufkommen lässt, ob hier mit Sicht auf die Frankfurter Skyline jemals wieder ein Pferderennen stattfinden wird – nach immerhin 150 Jahren Rennbetrieb.

Der städtische Baudezernent Jan Schneider (CDU) schließt das sogar kategorisch aus: „Niemand hält eine Zukunft des Galopprennsports in Frankfurt für realistisch.“ Der Pachtvertrag zwischen Stadt und DFB wurde noch vor Schneiders Zeit im Amt geschlossen. Jetzt aber ist der 36-jährige für die Einhaltung des Vertrages verantwortlich. Und Schneider will nicht schuld sein, wenn der DFB bald berechtigterweise Schadenersatz von der Stadt verlangen könnte.

Der DFB will nicht in den Rechtsstreit hineingezogen werden

Politisch weiß der Baudezernent eine breite Mehrheit hinter sich. Ein Bürgerentscheid für den Erhalt der Galopprennbahn vor zwei Jahren verfehlte die nötige Beteiligung. Dass immerhin eine Mehrheit für die Galopprennbahn stimmte, liegt vermutlich weniger an der Pferdeliebe der Frankfurter als an den Pachtkonditionen für den DFB: 6,8 Millionen Euro für 15 Hektar auf 99 Jahre. Vielen Frankfurtern erscheint das noch immer wie ein Geschenk an einen der vermögendsten Sportverbände der Welt.

Baudezernent Schneider betont dagegen: „Der Pachtzins für das Rennbahngelände ist gutachterlich ermittelt, bestätigt, liegt der EU-Kommission vor und ist bisher nicht beanstandet worden.“ Am liebsten hätte er die verfallende Tribüne der Galopprennbahn längst abreißen lassen. Die einstweilige Verfügung des OLG allerdings hindert ihn daran. Er hätte sich gewünscht, dass die Gerichtsprozesse zwischen Stadt und Rennklub angesichts ihrer Tragweite zügiger vorangehen. Eine ganz bewusste Hinhaltetaktik wirft Schneider dem Rennklub vor.

Mit wie viel Geduld und Wohlwollen der DFB den Rechtstreit verfolgt, lassen die Funktionäre indes nicht offen erkennen. Man wolle nicht in den Rechtsstreit zwischen der Stadt Frankfurt und dem Rennklub hineingezogen werden, heißt es vom Verband. Und dass der Rennklub für seine Zwecke gerne den Eindruck vermitteln wolle, er kämpfe als David gegen den Goliath DFB. Die Frankfurter Galopprennbahn sei weiterhin die Wunschadresse für die Akademie. Doch immer wieder klingen Gerüchte durch, der DFB prüfe alternative Standorte außerhalb von Frankfurt. Manche Frankfurter Umlandgemeinden haben sich auch selbst schon mit potenziellen Grundstücken ins Spiel gebracht.

Marian Koutny hält auch „ein Nebeneinander von DFB und Galopprennbahn“ für möglich. Platz gebe es genug, sagt er. Der Rennklub habe der Stadt und dem DFB einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Mit diesem Kompromiss ließe sich die Akademie zwar nicht wie bisher geplant bauen, dafür hätte der Verband aber Planungssicherheit. Der DFB habe das Angebot abgelehnt, berichtet Koutny. Er wolle keine Akademie, die von einer Pferderennbahn umzingelt ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false