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Sport: Stärke durch Psychologie

Wie die Hockeyspieler mit dem Druck umgehen

Athen - Clemens Arnold wird Sohail Abbas erst einmal locker auf die Schulter klopfen, wenn sie sich heute sehen. Wie man das so macht unter Kumpels, die abends zusammen weggegangen sind. „Er ist ein Freund von mir“, sagt Arnold. Aber sie sehen sich nicht mehr so häufig, seit Abbas nicht mehr beim Harvestehuder THC spielt. Der Torhüter Arnold hatte den Pakistani eines Abends einfach mitgenommen und ihm die Stadt Hamburg gezeigt, als der gerade eben beim Hockey-Bundesligisten angekommen war und noch keinen Menschen kannte.

Es war eine wichtige Erfahrung für Arnold, Sohail Abbas einmal so menschlich und verwundbar zu sehen. Abbas ist immer noch der weltbeste Schütze bei Ecken, das schon, und Arnold weiß, dass er heute höllisch aufpassen muss, wenn Deutschland in seinem ersten Gruppenspiel gegen Pakistan spielt, aber er hat jetzt nicht mehr diese Angst. Es gab Zeiten, da vergrößerte sich Sohail Abbas in Arnolds Fantasie zu einem Monument, zu einer kalt funktionierenden, unbesiegbaren Maschine. Der Abend in Hamburg hat ihm geholfen, genauso wie Lothar Linz. Der Psychologe der deutschen Hockey-Herren hatte viele Einzelgespräche mit Arnold.

Das wichtigste fand wohl vor zwei Jahren statt. Arnold war unruhig, verkrampft. Er stand vor einem seiner aufregendsten Spiele. WM 2002, Deutschland gegen Pakistan. Arnold würde auf dem Platz zum ersten Mal auf Abbas, den Superstar, treffen. Abbas war eine Legende. „Die meisten Torhüter scheitern gegen seine Schüsse“, sagt Arnold. Er hatte Angst, dass ihm das auch passiert. Also ging er zu Linz. Der Psychologe ist kein Zauberer. Aber er sagte genug, um Arnold in diesem Spiel stark zu reden.

Das Spiel. Es stand 2:2, Abbas hatte zwei Tore geschossen, es gab eine weitere Strafecke für Pakistan, wieder wartete Abbas auf den Ball. Wieder schoss er – aber diesmal hielt Arnold. Und direkt im Gegenzug fiel das 3:2 für Deutschland. Kurz darauf wurde das Team Weltmeister. Seither weiß Arnold, dass er mehr kann, als er sich manchmal zutraut. Das ist auch der Erfolg von Lothar Linz. „Er hat mir beigebracht, wann ich Angst haben darf und wie ich mich in Stresssituationen verhalten muss“, sagt Arnold.

Psychologische Betreuung gehört zum Kern der deutschen Hockeymannschaft. Sie steht in Athen unter besonderem Druck als Weltmeister, als Europameister, als klarer Medaillenkandidat. „Überall liest du: ,Die Hockey-Männer, Deutschlands Goldbank‘“, sagt Philipp Crone, der Abwehrspieler von Rot-Weiß München. „Auf einmal fühlte ich mich so unter Druck.“

Anderen ging es auch so. Sie haben schließlich etwas gut zu machen. In Sydney, bei den Olympischen Spielen 2002, verpasste Deutschland knapp das Halbfinale. Linz spürte den Druck, natürlich. Also führte er den Spielern ein Video vor. In dem Film taucht Heike Henkel auf, die Hochspringerin, die 1992 Olympiagold gewann, und die zeitweise von Selbstzweifeln geplagt war. Henkel sagt in dem Film: „Ich wollte doch nur mir selbst zeigen, dass ich es doch kann.“ Da habe er bemerkt, dass er niemandem anderen etwas schuldig ist, sagt Crone. Nur er selber zähle. Zwei Drittel aller Spieler, sagt Bundestrainer Bernhard Peters, „profitieren von der Arbeit unseres Psychologen“. Der Rest fühlt sich auch ohne ihn stark genug.

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