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Ästhetik und Athletik. In Deutschland steht Polesport erst am Anfang, in den USA und Australien ist der Sport schon deutlich populärer. Unser Foto zeigt Mitglieder des chinesischen Nationalteams beim Training.

© imago sportfotodienst

Stangentanz ohne Striptease: Pole Dance will olympisch werden

In den 80ern kam man in Kanada erstmals auf die Idee, den Stangentanz aus der Peepshow heraus und ins Fitnessstudio zu bringen. Seitdem hat er sich zu einer ernst zu nehmenden Sportart entwickelt. In Deutschland steckt Polesport noch in den Kinderschuhen. Das soll sich ändern. Wie der Stangentanz versucht, sich als ernsthafte Disziplin zu etablieren.

Im Grunde genommen sei ihr Sportgerät wie ein Barren im Turnen, „nur vertikal aufgestellt“, sagt Berenice Cowan. Der horizontale Barren ist Teil einer anerkannten Sporttradition und Teil des olympischen Programms. Sportlerinnen, die anstatt an einem waagerechten an einem senkrechten Holm turnen, sind hingegen: nur Stangentänzerinnen.

Nur? Cowan ist eine von vielen Frauen, die in ihrer Freizeit „Polesport“ ausübt – Stangentanz ohne Striptease. Im Kanada der Achtzigerjahre soll zum ersten Mal die Idee aufgetaucht sein, den Stangentanz aus der Peepshow heraus und ins Fitnessstudio zu bringen. Seitdem hat er sich zu einer ernst zu nehmenden Sportart entwickelt, die weltweit ihre Anhänger gefunden hat. Der quasi-offizielle internationale Verband, die IPDFA (International Pole Dance Fitness Association) bemüht sich seit mehreren Jahren sogar darum, dass Polesport irgendwann einmal olmypische Sportart wird.

Polesport - wie Gewichtheben, Joggen und Tanzen gleichzeitig

Cowan, eine englische Studentin an der Freien Universität Berlin, hat mit Poledance vor zwei Jahren angefangen, als sie noch an der Universität Warwick studierte. „Ich hatte schon ein bisschen Erfahrung im Turnen und Tanzen, ich konnte also schnell ein hohes Niveau erreichen“, sagt sie. Das ist nicht einfach, der Sport ist anspruchsvoll. Laut IPDFA-Vorstandsmitglied Ania Przeplasko ist Polesport „wie Gewichtheben, Joggen und Tanzen gleichzeitig“. Cowan trainiert sechs bis acht Stunden pro Woche.

Als Disziplin ähnelt Stangentanz dem traditionellen Turnen, es geht sowohl um Ästhetik als auch um körperliche Disziplin. Die Sportart ist auch unter den Namen Pole Fitness oder Pole Art bekannt, Ähnlichkeit hat sie auch mit Zirkusartistik am Trapez. Wohin die Entwicklung der Sportart gehen wird, ist kaum abzusehen. Manche wollen die erotischen Aspekte des Stangentanzes beibehalten. Andere wollen es zu einem reinen Sport entwickeln und alte Vorurteile abschütteln.

In Deutschland steckt Polesport noch in den Kinderschuhen. In Berlin sind in den vergangenen Jahren nur vier oder fünf Studios eröffnet worden, in denen man den Sport ausüben kann. Bei manchen geht es noch um die sexuelle Tanzform, viel populärer soll die sportliche Seite werden.

„In Europa sind die Frauen schüchterner“

Eines der neuesten Studios ist „Soulflight“, das erst im November von der vietnamesisch-deutschen Tänzerin Ly Li gegründet wurde. In der Kreuzberger Lobeckstraße trainiert Li viele Polesportlerinnen, sogar ein paar Männer. Im Konflikt zwischen Sport und Kunst ist sie unentschieden: „Ich würde Stangentanz sehr gerne bei Olympia sehen, aber ich habe Angst davor, dass die Sportart ihre Weiblichkeit verliert, je mehr Konkurrenz darin steckt.“

In Europa scheint der sportliche Wettkampf allerdings die einzige Zukunft für die Stange zu sein. Das meint zumindest Li, die zuvor auch in New York als Trainerin gearbeitet hat. In den USA sei der Sport schon bekannter, viele Frauen hätten weniger Probleme damit, sich offen und sexy zu bewegen. „In Europa sind die Frauen schüchterner“, sagt Ly Li. „Um in Europa zu wachsen, muss sich Poledance wohl als Sportart entwickeln.“ Mit dem Wachstum des Sports scheint sich auch die Wahrnehmung zu verändern. „Wenn ich sage, dass ich Stangentänzerin bin, fragt mich kaum jemand mehr, ob ich Stripperin bin“, sagt Ly Li.

Im November richtete die IPDFA bereits ihre fünfte „International Pole Championship“ in Singapur aus, inklusive einer Männerkategorie. Von Olympia allerdings ist die Sportart noch ziemlich weit weg. Figuren, Punktsysteme und Wettbewerbsstruktur sind überall verschieden. Sponsoren gibt es kaum, die meisten „Profis“ verdienen durch eigene Studios oder Training ihr Geld.

Eine Zukunft für Poledance könnte es trotzdem geben. Viele Sportarten haben klein angefangen und sich dann rasant entwickelt. Und schließlich hat Stangentanz den Vorteil, mit einer der bekanntesten Sportarten der Welt verwandt zu sein. Auch wenn es nicht einfach ist, einen Barren hochkant zu stellen.

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