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Friedlicher Abgang. Marcel Schmelzer geht nach der Fehlentscheidung von Schiedsrichter Wolfgang Stark (im Hintergrund) wortlos vom Platz.

© firo Sportphoto

Stark gibt Fehler zu: Dortmunds Schmelzer wird nicht gesperrt

Weil Schiedsrichter Wolfgang Stark seinen Fehler zugibt, wird Dortmunds Marcel Schmelzer nicht gesperrt. Ein schwacher Trost für den BVB, der das Spiel gegen Wolfsburg nach dem unberechtigten Platzverweis verloren hatte.

Selten war der Aufmacher eines Stadionheftes so treffend: „Schmelzers bewegtes Jahr“, titelte das Magazin von Borussia Dortmund vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg. Die Geschichte des Nationalspielers, der von Bundestrainer Joachim Löw öffentlich infrage gestellt worden war, dann mit seinem Tor das Champions-League-Spiel gegen Real Madrid entschieden hat, ist tatsächlich bemerkenswert. Nun ist sie um eine Facette reicher, die sich alle Beteiligten am liebsten erspart hätten. Der Außenverteidiger war einer von zwei Protagonisten, die bei der erinnerungswürdigen 2:3 (1:2)-Niederlage des BVB gegen den VfL im Fokus standen.

Es war die Szene des Spieltags, als Schmelzer in der 36. Minute einen Schuss von Bas Dost auf der Linie klärte. Mit dem Knie und dem Oberschenkel, nicht mit der Hand, wie die Fernsehbilder zweifelsfrei belegten. Schiedsrichter Wolfgang Stark hatte das anders gesehen und wurde damit zum zweiten Hauptdarsteller in einer Geschichte, die der Schiedsrichter umschreiben würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme. Allerdings sind Schiedsrichter beim Fußball dazu verdammt, Tatsachenentscheidungen zu treffen, die dann ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Im Gegensatz zu anderen Disziplinen gibt es ausgerechnet in der weltweit populärsten Sportart keine Möglichkeit, einen Entscheid zu überprüfen und wenn nötig zu revidieren.

Und so passierte es, dass Stark ein fataler Irrtum unterlief: Der Schiedsrichter gab Elfmeter und verwies Schmelzer des Feldes. Das, was die Männer in Schwarz unter allen Umständen vermeiden wollen, war geschehen: Ein Pfiff lenkte das Spiel in eine völlig andere Richtung. Fast eine Stunde lang mussten die Dortmunder, die die Begegnung bis dahin nach Belieben beherrscht hatten, in Unterzahl auskommen. „Bei elf gegen elf gibt es nur einen Sieger, da gibt es kein Vertun“, sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. „Bis zum Platzverweis hatte Wolfsburg nicht eine Sekunde Zugriff aufs Spiel.“

Die Dortmunder wollten sich nicht zu der umstrittenen Szene äußern

Tatsächlich war die Entscheidung fatal, nach dem Studium der Fernsehbilder gab sich Stark reumütig. Sein Pfiff beruhe auf einem Wahrnehmungsfehler, sagte der Fifa-Schiedsrichter. Er sei sich sicher gewesen, ein Handspiel gesehen zu haben, „doch die Bilder sprechen eine andere Sprache“. Es tue ihm leid, sagte Stark, der sichtlich mitgenommen wirkte. Er müsse das Ganze auch erst einmal verarbeiten. […]„Innerlich rumort es in einem. Das muss jetzt erst mal ein, zwei Tage sacken und wir werden auch noch das ein oder andere Gespräch führen im Team: Noch einmal die Situation anschauen, wie das passieren kann und wie man das beim nächsten Mal verhindern kann.“ Vielleicht habe die Position nicht gestimmt oder er habe sich irgendwie verleiten lassen.

Auch für Stark war es ein bewegtes Jahr. Er pfiff im skandalösen Relegationsspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC, mit Bengalowürfen und Platzsturm der Fans, wurde von Berliner Spielern attackiert und stellte Strafanzeige. Auch bei der Fußball-EM im Sommer gab Stark im Spiel Kroatien gegen Spanien keine glückliche Figur ab.

Wie die Dortmunder mit der spielentscheidenden Benachteiligung umgingen, hatte Klasse. Und das lag in erster Linie am Krisenmanagement ihres Trainers. Zurecht ist Jürgen Klopp in jüngster Zeit wegen seines aufbrausenden und mitunter respektlosen Gebarens an der Seitenlinie kritisiert worden. Nun, da er und seine Spieler allen Grund hatten, sich aufzuregen, legten sich die Dortmunder eine Zurückhaltung auf, die wohltuend war. Noch auf dem Spielfeld gab Klopp seiner Mannschaft die Anweisung, sich zu den Vorgängen nicht zu äußern. Die Spieler hielten sich an das Schweigegelübde, und so konnte niemand verbal aus der Rolle fallen. Dafür äußerte sich der Trainer, der einräumte, solch ein Fehler sei „menschlich, auch wenn das für uns brutal hart war“. Seinen zu unrecht sanktionierten Spieler schlug Klopp für höhere Auszeichnungen vor. Für sein Verhalten nach der Roten Karte „kriegt er den Friedensnobelpreis. Marcel hat einmal gebrüllt ,Das war kein Hand!’, und dann hat er sich ohne einen Mucks davongemacht.“

Für den Friedensnobelpreis wird diese noble Haltung vermutlich nicht reichen, aber dass Schmelzer um eine Strafe herumkommt, ist zumindest ein kleiner Trost für die Dortmunder. Eigentlich ist eine Sperre von mindestens einem Spiel nach einer Roten Karte zwingend vorgesehen. Doch weil Stark selbst seinen Wahrnehmungsfehler eingestand, wird der Kontrollausschuss des DFB heute beantragen, dass Verfahren gegen Schmelzer einzustellen.

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