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Sport: Stars weg, Fans weg, Stimmung weg

Hamburger Tennisturnier wird zum Randereignis

Manchmal ist es selbst Walter Knapper zu viel, Walter Knapper zu sein. Wenn der notorisch zuversichtliche Schwabe derzeit in den Hamburger Himmel schaut, zum Beispiel. Oder wenn er auf den Spielplan schaut. Oder wenn er sich Einschaltquoten ansieht. Nein, es ist nicht leicht, Turnierdirektor des wichtigsten und ältesten deutschen Tennisturniers zu sein, wenn sich alles gegen einen verschworen hat. Wenn es regnet und kalt ist. Wenn alle deutschen Profis und der Liebling Andre Agassi ausgeschieden sind, wenn alle Hoffnungen auf dem einzig verbliebenen Star ruhen, Roger Federer. Und wenn am Mittwoch um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit also, 20000 Zuschauer vor dem Fernseher sitzen, um dem letzten Deutschen zuzuschauen, Nicolas Kiefer. Das war ein Marktanteil von 0,1 Prozent. Der Spartensender XXP, der sich nach dem Ausstieg des Norddeutschen Rundfunks kurzfristig die Übertragungen der späten Spiele am Hamburger Rothenbaum gesichert hatte, findet keine nennenswerte Beachtung. Von heute an überträgt Premiere, aber dort sind die Quoten auch nicht überzeugend.

Im ewigen Wirkungsgefüge zwischen TV-Präsenz und Sponsoreninteresse sind solche Zahlen und diese Sender fatal: keine Reichweite. Und dass der ausgeschiedene Nicolas Kiefer nun auch noch den Direktor für den von ihm nicht erwünschten, späten, kalten Abendtermin beschimpft, macht Knappers Sorgen nur noch größer. Kiefer sagte: „Ich bin sehr enttäuscht über diese Ansetzung. Wenn ich tagsüber spiele, ist es schneller und einfacher für mich.“

Knapper gilt eigentlich als Turnierdirektor, der den Stars jeden noch so absurden Wunsch von den Lippen abliest. Natürlich passt Kiefers Klage auch in das deutsche Tennis-Lamento: Jeder Profi hatte für sein frühes Ausscheiden eine andere Ausrede bemüht, so dass Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen am Mittwoch die deutschen Profis als zu verwöhnt, als einfach faul abwatschte.

Dabei gibt es auch positive Nachrichten. Durch den „Presenting Sponsor“ Eon-Hanse, einen Energieversorger, ist die Veranstaltung bis 2007 gesichert. Eon soll eine Million Euro im Jahr zahlen. Von 2006 an sollen auch die in Berlin schon bekannten Scheichs aus Katar um Mohammad bin Faleh Al-Thani eine Million Euro Sponsorengelder beisteuern, und das drei Jahre lang. Eine Werbebande der katarischen Telefongesellschaft Qtel steht schon am Rothenbaum; mehr als 300000 Euro sollen in diesem Jahr von den Scheichs kommen. Zudem wollen sie sich mit 30 Prozent an der Rothenbaum GmbH beteiligen, aber ohne die Turnierrechte zu bekommen, wie der Präsident des deutschen Tennis-Bundes, Georg von Waldenfels, sagte. Die logische Folge des Einstiegs der Männer aus Katar wäre die baldige Zusammenlegung des Berliner Damen- mit dem Hamburger Herrenturnier. Dafür sprach sich am Mittwoch auch Boris Becker aus, der in Hamburg als Chairman fungiert. Zuerst hintereinander, dann zusammen, sollten Damen und Herren in Hamburg spielen, sagte Becker. Und zwar am Rothenbaum.

Tennis ist eben auch ein Geschäft, bei dem viel geredet wird. Gerade dann, wenn das Geschehen auf dem Court keinen mehr wirklich interessiert.

Morten Holm[Hamburg]

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