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Starkes Duo. Rafael Nadal (links) und Roger Federer verbindet gegenseitiger Respekt vor der Leistung des anderen.

© Reuters

Start der Australian Open: Eine Frage der Auslegung

Mit einem Sieg bei den Australian Open der Tennisprofis könnte Rafael Nadal den Grand Slam schaffen. Oder auch nicht.

Es gibt eine Frage, auf die Rafael Nadals Antwort stets so pfeilschnell folgt wie sonst seine Schläge über das Netz peitschen. Und zwar die, ob der spanische Weltranglistenerste besser sei als Roger Federer. „Roger ist der beste Spieler der Geschichte“, betonte Nadal auch beim Benefizturnier für australische Flutopfer in Melbourne am Samstag, „ein Vergleich zwischen uns ist dumm, die Anzahl der Titel sagt doch alles.“ Nadal mag und respektiert den 16-maligen Grand-Slam-Turnier-Sieger sehr, Gleiches gilt umgekehrt für Federer. Vielleicht aber ist es gerade diese besondere Sympathie, die den bodenständigen Mallorquiner zu mehr Bescheidenheit drängt, als angebracht wäre. Denn bei den Australian Open könnte Nadal den Schweizer Ausnahmespieler allzu bald überflügeln.

Sicher, Federer hätte auch bei einem Triumph des 24-jährigen Spaniers immer noch sechs Grand-Slam-Siege mehr auf der Habenseite. Doch Nadal könnte in Melbourne etwas gelingen, das nicht einmal Federer geschafft hat: alle vier Grand-Slam-Turniere in Folge zu gewinnen. Bei den French Open hatte Nadal im letzten Jahr triumphiert, ebenso in Wimbledon den Thron erobert und schließlich in New York mit seinem ersten US-Open-Erfolg seinen Karriere-Slam als jüngster Spieler der Geschichte geschafft. Dass Nadal als einer von nur sieben Spielern der Historie dieses Kunststück vollbrachte, nahm schließlich auch jene für ihn ein, die in dem spanischen Energiebündel lange nur den Sandplatz-König gesehen hatten.

Noch bevor bei den Australian Open jedoch auch nur der erste Punkt gespielt wurde, ist eine lebhafte Grundsatzdiskussion entbrannt: Wie wäre ein neuerlicher Triumph in diesem Fall zu werten? Gewinnt ein Spieler alle vier Grand-Slam-Turniere innerhalb eines Kalenderjahres, wird diese Leistung gemeinhin – für Laien leicht verwirrend – als Grand Slam bezeichnet. Dem legendären Australier Rod Laver ist dies 1962 und 1969 als einzigem Spieler der Open Era gleich doppelt gelungen. Bei den Damen setzte Stefanie Graf 1988 mit ihrem „Golden Slam“ noch einen drauf, als sie der Ausbeute das olympische Gold hinzufügte. Aber Nadal würde sein Pokal-Quartett eben nicht innerhalb einer Saison komplettieren, deshalb ist die Lage für viele Traditionalisten eindeutig: kein echter Grand Slam. Im Regelwerk der Internationalen Tennis Federation (ITF) heißt es allerdings: „Spieler, die alle dieser vier Titel zur selben Zeit inne haben, gewinnen den Grand Slam.“

Federer hält die ganze Diskussion für Erbsenzählerei. „Für mich ist ein Grand Slam der innerhalb eines Jahres, aber das, was Rafa schaffen kann, wäre genauso spektakulär.“ Es scheint also mehr eine Frage der Begrifflichkeit als eine der sportlichen Leistung zu sein. Allerdings glaubt Nadal selbst nicht so recht an einen „Rafa-Slam“. „Ich denke, es ist fast unmöglich für mich. Die Konkurrenz ist so hart und Tennis hängt von vielen kleinen Faktoren ab“, erklärte er. „Ich bin sicher, dass dies die letzte Chance in meinem Leben ist, alle vier Slams in Folge zu gewinnen. Es wird sich keine weitere Möglichkeit bieten.“

Nadal stapelt tief – vielleicht ist er auch nur realistisch. Er weiß, dass sein verletzungsanfälliger Körper vom enormen Kraftakt der letzten Monate gezeichnet ist. Auch nach Melbourne reiste Nadal nicht völlig fit, in der Vorwoche steckte er sich bei seinem Physiotherapeuten mit der Grippe an. „Ich fühle mich schon besser“, meinte Nadal, „noch nicht wirklich gut, aber schon viel besser als noch vor einigen Tagen.“

Federer dagegen präsentiert sich seit seiner Halbfinalniederlage bei den US Open in Bestform. Seither hat der Weltranglistenzweite 26 seiner 28 Matches gewonnen, darunter alle Spiele bei den World Tour Finals in London, wo er im Endspiel Nadal bezwang. Und auch beim Saisonauftakt in Doha holte Federer den Turniersieg. „Ich will meinen Titel in Melbourne unbedingt verteidigen“, betonte der Schweizer, „ich habe kein Problem damit, dass Rafa der Favorit ist, er hat schließlich drei Slams gewonnen und ich einen. Aber wir werden sehen, wer am Ende noch dabei ist.“

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